„Das Soziale liegt im Argen“ – Als ehemaliges SPD-Mitglied sitzt Stefan Schröder heute für die Linken im Stadtrat (#200in365, No. 92)

Stefan Schröder nicht miteinander zu reden.
MT-Foto: Benjamin Piel

Stefan Schröder war mal Mitglied der SPD, trat im Zuge der Agenda 2010 aber enttäuscht aus und später bei den Linken ein. Für die sitzt er nun im Stadtrat. In Minden sieht er noch einige soziale Fragen offen.

Wie ist es um das Soziale in Minden bestellt?

Es lag im Argen und es liegt noch immer im Argen. Leider wird dieses wichtige Thema seit Jahren überschattet von einer leidigen Flüchtlingsdebatte, bei der die Linke leider auch noch mitmacht. So arbeitet sich Politik an etwas ab, das gar nicht das Hauptproblem für die Menschen ist. Die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“ mögen einige bei den Linken nicht. Aber es gibt eine Sehnsucht, endlich wieder intensiv über soziale Themen zu sprechen.

Gesetzt den Fall, dass es diese Sehnsucht tatsächlich gibt, warum profitiert Ihre Partei dann nicht stärker von der schwachen SPD?

Das würde man, würde die Linke mit dem Sozialthema stärker nach vorne treten. Stattdessen wird über den Konflikt zwischen Wagenknecht und Kipping gesprochen. Das bringt uns nicht weiter.

Was würde Sie denn weiterbringen?

Mir gefällt der Ansatz von Bart Somers, dem Bürgermeister von Mechelen. Die belgische Stadt war ganz unten. Er hat auf der einen Seite strikt den Rechtsstaat, auf der anderen Seite die Integration vorangebracht. Nur so geht es. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Rechts- und Linksextreme sind absolute Minderheiten, die die Gesellschaft terrorisieren. Die große Mehrheit dazwischen sollte sich nicht in Kleinkriegen verlieren, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen. Das vermisse ich auch in Minden oft. Dass Politiker verschiedener Parteien sich gemeinsam an einen Tisch setzen und nach der besten Lösung statt nach der besten Inszenierung suchen. Wir dürfen die Ebene des gegenseitigen Respekts nie verlassen – auch nicht, wenn man komplett anderer Meinung ist. Und wir müssen alle Menschen zu echten gleichwertigen Bürgerinnen und Bürgern von Minden machen.

Und wie?

Wir machen schon einiges – von Stadtteilmanagern über Kulturförderung, eine Stadtbibliothek, die für Bedürftige nur die Hälfte kostet oder bald – wenngleich sehr spät – Carsharing. Aber es bleiben große Herausforderungen. Wir wünschen uns eine städtische Wohnungsbaugesellschaft und eine erhebliche Anhebung der Mietrichtwerte, um die angespannte Situation zu verbessern. Für Hartz-IV-Bezieher gibt es kaum Wohnungen. Die Rathaussanierung wird immer teurer, aber für bezahlbaren Wohnraum soll kein Geld da sein. Das versteht niemand und daran lässt sich erkennen, dass einige Kommunalpolitiker große Mühe haben, sich die Welt eines Hartz-IV-Beziehers vorzustellen.

Aber es gibt doch das „Handlungskonzept Wohnen“?

Das ist eine ziemliche Totgeburt. Da kommen Wohnungen bei raus, die sich Grundsicherungsbezieher nicht leisten können.

Aber wenn ich mir den Mindener Wohnungsmarkt anschaue, dann gibt es doch reichlich freie Wohnungen?

Das Problem ist nicht der Mangel an Wohnungen, sondern an Zwei-Zimmer-Wohnungen, die im Rahmen des Arbeitslosengeldes II im Bereich des Zulässigen liegen. Gäbe es eine Wohnungsbaugesellschaft, bei der es nicht in erster Linie auf den Profit ankommt, sähe es anders aus. Die müsste ja nicht zwangsläufig die Stadt gründen. Das könnten auch Unternehmer, die etwas Gutes für die Gesellschaft tun wollen.

Ein Linker setzt seine Hoffnung auf Privatunternehmen…

Ich bin dagegen, Gruppen und Menschen in Schubladen zu stecken. Unternehmen zu verteufeln, ist nicht mein Ding. Moderner fände ich, dieses Denken zu überwinden, Ideologien aufzulösen und möglichst viele Gruppen an einen Tisch zu holen. Es gibt nichts, was die Gesellschaft mehr spaltet, als nicht miteinander zu reden.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*