Ein Traum von einer Baustelle – Eigentlich wollte Brunhild Wagner nur ein altes Haus kaufen, in das sie sich verliebt hatte. Jetzt steckt sie fast ihre ganze Zeit in die Sanierung. Warum tut sich eine 70-Jährige das an? (#200in365, No.101)

Brunhild Wagner hat sich seit einigen Jahren der Sanierung des Fachwerkhauses verschrieben, das hinter ihr zu sehen ist. MT-Foto: Benjamin Piel

Es hatte alles ganz gewöhnlich angefangen. Oft war Brunhild Wagner an dem Haus vorbeigefahren. Fachwerk, mehr als 400 Jahre alt, zehn Räume, 16 Meter lang, zehn Meter breit. Immer wieder habe sie sich gesagt: „Wenn ich nochmal ein Haus kaufe, dann das.“ Vor vier Jahren stand das Gebäude, in dem sich bis dahin eine Anwaltskanzlei befunden hatte, tatsächlich zum Verkauf. Der Preis schien günstig, Wagner schlug innerhalb von zwei Tagen ein. Alles ein bisschen aufhübschen, hatte sie sich damals gedacht, wollte innerhalb eines Jahres fertig sein.

Erst mit der Zeit wurde ihr klar, was sie sich da einerseits angetan und was für ein Schatz ihr andererseits in die Hände gefallen war. Je mehr der Verkleidungen, die über die Jahrhunderte vor die ursprünglichen Wände gebaut worden waren, Wagner abnehmen ließ, desto klarer wurde: Eine Totalsanierung war nötig, denn es handelt sich um kein gewöhnliches Haus.

Inzwischen sind Forscher so gut wie gewiss, dass sie es mit dem Ersatzbau für die Amtmänner zu tun haben, damals die höchsten Verwaltungsleute vor Ort. Die waren bis 1599 im Schloss Petershagen untergebracht gewesen, was sich änderte, als Christian von Braunschweig-Lüneburg neuer Bischof wurde. Das Haus ist also von historischer Bedeutung, einige der gefundenen Wandmalereien sind ausgesprochen selten.

So entschied sich die frühere Leiterin der Mindener Musikschule für Sanierungsmaßnahmen, die diesem historischen Wert entsprechen. Das ist eine zweischneidige Sache. Auf der einen Seite sagt Wagner: „Jeder Tag ist spannend – warum sollen denn nur Kinder einen Abenteuerspielplatz haben?“ Auf der anderen Seite seien die Arbeiten „nichts für jede deutsche Hausfrau, eher eine Arbeit für Helden“. Die ein oder andere BaustellenDepression hat sie schon hinter sich. Ohne die Liebe, die sie für das Haus entwickelt hat, hätte sie womöglich schon aufgegeben.

Stattdessen hat sie nichthistorische Wände herausnehmen, einen Betonboden einziehen, Estrich und Fliesen legen lassen. Die ersten Räume sind fertig, in anderen Teiles des Hauses steht der Besucher mitten im Sand. Sie will dem Haus möglichst viel seiner alten Struktur zurückgeben und „nichts überstülpen“.

Aufgewachsen ist Wagner zwar in einem modernen Dortmunder Stadtteil, aber alte Häuser haben sie schon früher fasziniert. Überhaupt: Inzwischen hat sie den Eindruck, als sei ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet gewesen, sich eines Tages dieses Hauses in Petershagen annehmen zu sollen. Sie weiß, dass das esoterisch klingt. Aber das ist ihr einerlei. Es ändert nichts an ihrem Gefühl, es mit einer Lebensaufgabe zu tun zu haben. So ist das nun einmal: Niemand kann sich aussuchen, in wen er sich verliebt. Und sie habe sich nun einmal in dieses Haus verliebt. „Lohnt sich denn sowas in ihrem Alter noch?“, das fragen viele und geben zwischen den Zeilen die Antwort gleich mit: doch wohl kaum. Aber Verliebten sind Effizienzfragen fremd. Und, wenngleich das wieder esoterisch klingt, die 70-Jährige ist der Ansicht, das Haus werde ihr die nötige Lebenszeit schon zur Verfügung stellen.

Ja, sie kommt schon manchmal an ihre Grenzen. Körperlich, weil sie selbst auf der Baustelle mithilft – „auch wenn ich die Bauschutt-Eimer nur halb so voll machen kann wie die anderen.“ Aber auch finanziell, weil die Sanierungskosten immens seien. Ohne Fördermittel, etwa von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, wäre das Projekt ohnehin nicht denkbar. Aber die Förderungen bringen auch zeitlichen Druck mit sich: „In einem Jahr müssen wir fertig sein, wegen der Fristen.“

Wer eine Haus- und Baustellenführung vereinbaren möchte, kann sich bei Brunhild Wagner unter der Telefonnummer (0 57 07) 93 93 13 melden.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

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