In eigener Sache: Warum wir an unserer Recherchetechnik arbeiten – und warum Recherche keine Einbahnstraße ist


Wenn mich jemand nach meinen schwierigsten Recherchen fragt, dann fällt mir vor allem eine Geschichte ein. Jemand trug die Information an die Redaktion, in der ich damals arbeitete, heran, der Bürgermeister einer Stadt habe seine Mieter dazu gedrängt, ihn zu wählen. Uff. Dann steht man als Journalist da und fragt sich: Was soll ich tun, wie soll ich dieses Gerücht belegen – oder wahlweise entkräften? Ist das nur Geblubber, von dem so viel in der Welt ist und von dem man gerade nicht will, dass es sich weiterverbreitet? Und wenn es doch mehr ist als dummes Zeug: Woher Informationen bekommen, wie das Puzzle zusammensetzen?

Es kommt gar nicht so selten vor, dass meine Kolleginnen, Kollegen und ich, die das Recherchieren zwar alle gelernt haben, aber auch nicht ständig mit den schwierigen Fällen konfrontiert sind, uns gehörig hilflos vorkommen. Wir stehen dann da mit unserem Thema wie ein Mensch in Badelatschen, der das Matterhorn besteigen soll. Über diesen Berg? Ausgeschlossen. Manchmal klappt es doch, und wir kommen mit wunden Füßen auf dem Gipfel an. Mitunter müssen wir nach den ersten zehn Schritten aufgeben, weil die Felskanten zu scharf sind.

Wir als Redaktion des Mindener Tageblatts möchten noch besser werden und damit attraktiver für unser Publikum. Wir möchten die Badelatschen möglichst oft gegen Bergstiefel tauschen und mehr von den Geschichten erzählen, die sich unter der Oberfläche verbergen und die deshalb besonders spannend sind. Dazu gehört, dass wir gemeinsam an unserer Kompetenz in Sachen Recherche arbeiten. Gestern und heute haben wir zwei Recherche-Trainer bei uns, die 20 Redakteurinnen und Redakteure schulen und mit ihnen an konkreten Themen arbeiten. Innerhalb der kommenden Wochen und Monate werden daraus einige Texte entstehen.

Klar ist aber auch: Recherche ist keine Einbahnstraße. Wir als Redaktion sind auf Hinweise angewiesen. Was bedrückt unsere Leserinnen und Lesern? Wo geht etwas nicht mit rechten Dingen zu? Wo sollten wir genauer hinschauen? Welche Themen fänden Sie besonders spannend? Bitte scheuen Sie sich nicht, uns zu kontaktieren! Sprechen Sie uns an, rufen Sie uns an, schreiben Sie uns eine Mail oder eine Nachricht bei Facebook, Twitter oder WhatsApp. Jede Recherche startet mit einem Hinweis, mit einer ersten Spur. Bitte helfen Sie uns, Fährten aufzunehmen!

In der eingangs erwähnten Recherche rund um den Bürgermeister, der seine Mieter bedrängt hatte, wusste ich mir am Ende keinen anderen Rat, als Klinken zu putzen und in der Nachbarschaft herumzufragen. Am Ende wurde die Sache tatsächlich rund – mit Badelatschen auf dem Gipfel.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

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