Vor der WM in Russland: MT-Volontär auf Recherchereise mit anderen Journalisten

In Sotschi spielt auch die deutsche Nationalmannschaft. Unklar ist, was nach der WM mit der „Fisht“-Arena passiert. Foto: Ilja Regier

Elf Tage bin ich gemeinsam mit elf anderen Journalisten aus Deutschland quer durch Russland gereist. Mit dem Flieger ging’s zuerst im April aus Berlin nach Moskau, dann weiter per Nachtzug nach Kasan und anschließend ins mediterrane Sotschi, wo die Olympischen Winterspiele 2014 ausgetragen wurden – alle drei Städte sind WM-Spielorte. Vor der Weltmeisterschaft wollten wir hinter die Kulissen schauen und sprachen unter anderem mit oppositionellen Politikern oder Vertretern aus der Wirtschaft.

In Moskau trafen wir uns mit Korrespondenten deutscher Medien wie Zeit, FAZ, ARD oder dpa. Einige vermuten, dass sie überwacht werden – sie gehen offen damit um. Interessant war auch der Besuch bei der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die mittlerweile vom russischen Staat als „ausländischer Agent“ bezeichnet wird. Irina Scherbakova von „Memorial“ berichtete davon, wie schwierig die Arbeit für sie geworden ist. In der Stadt Kaluga besuchten wir die Werke von Volkswagen sowie Continental und besichtigten die Produktion.

Moskau stand ebenfalls auf dem Programm. Foto: Ilja Regier

Auf unserer zweiten Station Kasan machten wir uns mit der Kultur der Stadt vertraut, die in der Region Tatarstan liegt. Das Besondere dort? Christen und Muslime leben friedlich miteinander, die bekannte Kul-Scharif-Moschee steht neben einer orthodoxen Kirche. Wir durften ins Stadion, sprachen mit der Leiterin eines Filmfestivals und einem tatarischen Historiker.

Der dritte Stopp hieß Sotschi, wo uns Palmen begegneten. Die Stadt am Schwarzen Meer gilt als russische Riviera. Auf dem Programm standen ein Besuch im Olympischen Dorf samt WM-Stadion und ein Treffen mit Anatoli Pochomow, dem Bürgermeister von Sotschi. Neben Pochomow erwarteten uns mehrere Mitarbeiter aus seinem Presseteam, Fotografen und ein Kamerateam am Treffpunkt. Wir baten darum, nicht gefilmt zu werden. Zu unsicher erschien uns, wie das Material am Ende geschnitten wird. Stichpunkt: Propaganda. Pochomows Entourage fragte auch, ob ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt nicht Teil unserer Gruppe sei. Überaus merkwürdig. Einige Tage später war klar warum: Die Russen verweigerten ihm die Einreise zur WM. Offenbar hofften sie, ihn bei unserem Besuch bereits herauszufischen.

Ilja Regier mit dem WM-Maskottchen. Foto pr.

Unsere Gruppe bestand aus unterschiedlichen Journalisten. Zum Beispiel waren Redakteure vom Wirtschaftsmagazin Euro, von der Zeit, Radio Luxemburg und sogar eine „Nachbarin“ aus Bielefeld (Neue Westfälische) dabei. Mit von der Partie waren auch einige Vertreter von öffentlich-rechtlichen Medien wie BR, WDR und NDR. Hinterher veröffentlichte ein Kollege einen TV-Beitrag im NDR-Medienmagazin „Zapp“ über unsere Reise. Mein Vorteil gegenüber den anderen Journalisten? Ich kann russisch sprechen, deswegen waren immer wieder meine Fähigkeiten als Dolmetscher gefragt.

Zurück in Minden entstanden mehrere Artikel über die Russland-Reise. Auf einer Themenseite setzte ich mich kritisch mit dem Stadion in Sotschi auseinander. Wie geht es nach der WM mit der teuren Arena weiter und wie soll sie nachhaltig genutzt werden? In einem anderen Artikel ging es um die Werke der deutschen Konzerne in Kaluga. Darin erläuterte ich, wie deutsche Unternehmen trotz Sanktionen in Russland profitieren können. Zudem entstanden Interviews mit unter anderem Andrej Netschajew, dem ersten russischen Wirtschaftsminister.

Nach meinen spannenden Recherchereisen für das MT in Weißrussland (2017) und der Ukraine (2016) waren die Tage in Russland insgesamt aufregend. Journalists Network ein Verein, der den journalistischen Nachwuchs und die Auslandsberichterstattung fördert, organisierte diese Reise. Mein Dank gilt auch Christoph Pepper, der uns Volontären derartige Auslandsreisen empfohlen und solche Projekte unterstützt hat.

Von Ilja Regier, MT-Volontär

Dieser Artikel ist zuerst im Magazin johann! – Aktuelles aus der Unternehmensgruppe J.C.C. Bruns erschienen.

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