Daily Archives: 14. Oktober 2018

„Wir möchten, dass es bei uns attraktiv bleibt“ – Ortsheimatpfleger Reinhold Kölling will Veltheim möglichst viel Eigenständigkeit bewahren (#200in365, No.63)

Die Anzahl der Ehrenämter, die Reinhold Kölling in seinem Leben ausgeübt
hat und noch immer ausübt, würden leicht auch für fünf oder zehn Menschen reichen. MT-Foto: Benjamin Piel

Fünf Orte mit dem Namen Veltheim gibt es auf der Welt. Sein inzwischen 2.850 Einwohner großer Heimatort lag Reinhold Kölling immer am meisten amHerzen. Doch zu den übrigenVeltheims in Deutschland und der Schweiz hat der ehemalige Chef der früheren Volksbank Eisbergen Kontakte hergestellt, die bis heute bestehen. Trotz oder gerade wegen seines Lokalpatriotismus’ hält er die Fixierung auf das Konstrukt Stadt Porta Westfalica bis heute für verfehlt.

Es gibt zwei weitere Veltheims in der Schweiz, eins nahe Braunschweig und eins in Sachsen-Anhalt. Warum war es Ihnen wichtig, Kontakte zwischen diesen und dem Veltheim, in dem Sie leben, herzustellen?

Reinhard Kölling: Die Gemeindepartnerschaft haben wir 2007 gestartet. Bis heute trifft sich einmal im Jahr eineDelegation.Dasisteinesehrschöne Sache. Es tut immer gut, über den Tellerrand zu schauen. Beimir hat das sogardazugeführt,dass icheinigeJahre in Veltheim im schweizerischen Kanton Aargau gelebt habe. Da hat es mir sehr gut gefallen, es war eine schöne Zeit. Allerdings musste ich mich dann um meine Eltern, die inzwischen beide verstorben sind, kümmern und bin deshalb zurückgekehrt.

Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe als Ortsheimatpfleger?

Ich bin seit 1995 im Amt. Mir geht es darum, mich mit der Historie des Ortes auseinanderzusetzen und ein Verbindungsglied zwischen Bevölkerung und Verwaltung zu sein. Auf der einen Seite sind die Ortsheimatpfleger, die die Stadt bestellt, zahnlose Tiger, die nirgendwo Stimmrecht haben. Auf der anderen Seite kommen schon viele Menschen auf mich zu, wenn sie ein Anliegen haben. Etwa, wenn eine Straße nicht in Ordnung ist. Gerade bin ich dabei, zu schauen, wie der Alte Friedhof nach den Auswirkungen eines Sturms wieder schöner werden könnte. Ich habe mich allerdings recht stark auf die GeschichtedesOrtes fokussiert,habedreiChroniken über den Ort geschrieben und ein Archiv mit 2000 historischen Fotos angelegt, habe viel aus Kommunalarchiven zusammengetragen.

Wenn Menschen Fragen zu Historischem rund um den Ort haben, worum geht es dann für gewöhnlich?

Oft werde ich um Rat gefragt, wenn Menschen Ahnenforschung betreiben. Das älteste Einwohnerverzeichnis stammt aus dem Jahr1682, das habe ichmal ausgegrabenundsoeinDokument kann bei der Ahnenforschung natürlich sehr helfen. Gar nicht so selten gibt es auch Anfragen aus dem Ausland, vor einiger Zeit sogar aus Sydney, der Hauptstadt von Australien.DieseAnfragenvonaußerhalb haben zugenommen, seitdem die Kommunikation über das Internet die Kontaktmöglichkeit erleichtern hat.

Woher kommt dieses große Interesse an Ihrem Heimatort?

Das Interesse an der Historie des Ortes ging schon in meiner Kindheitlos. Ich bin in Veltheim zur Schule gegangenundhabedamalsgeholfen,die alte Schulbibliothek einzurichten.Dabei ist es um mich geschehen, das Interesse war geweckt und ist nie wieder erloschen. Später war mir immer daran gelegen, den Ort nach vorne zu bringenundihmmöglichstvielEigenständigkeit zu bewahren. Wir haben den Heimatverein Veltheim gegründet, haben Schilder am Ortseingang aufgestellt, haben den Alten Friedhof in Gang gebracht und Sehenswürdigkeiten ausgeschildert, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Was hält jemand wie Sie, der so vernarrt in den eigenen Wohnort ist, von der eher zentralistischen Ausrichtung der Stadt Porta Westfalica?

Da habe ich eine klare Position: Porta zur Stadt machen zu wollen, das war ein Fehler. Kritikern wie mir wird oft Kirchturmdenken vorgeworfen, aber darum geht es mir gar nicht. Wir möchten hier einfach, dass es bei uns attraktiv bleibt und dass unser Ort möglichst viel seiner Eigenständigkeit behalten kann. Dazu gehört für mich übrigens ganz eindeutig auch eine eigene Schule im Ort. In der Schweiz gibt es sehr kleine Schulen und das läuft sehr gut. Insgesamt gefällt mir das niedersächsische Modell der Samtgemeinden sehr viel besser. Die machen die Verwaltung für die Gemeinden, die aber trotzdem jeweils ihre eigenen Räte haben und somit autarker agieren können als die Ortsteile einer Stadt. Hier hat man künstlich etwas zaubern wollen und das überzeugt mich bis heute nicht.

Sie waren neben Ihrer beruflichen Tätigkeit als Bankchef und Sprecher der Volksbanken im Mühlenkreis jahrzehntelang im Vorstand des SUS Veltheim aktiv, Schulpflegschaftsvorsitzender der Grundschule, ehrenamtlicher Richter, Sprecher der Werbegemeinschaft, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft, Rechnungsprüfer beim Handballverband Westfalen, Vorsitzender des Heimatvereins, Vorstand im Stadtmarketingverein, sind bis heute sachkundiger Bürger im Wirtschaftsförderausschuss, Vorsitzender des Handballkreises, Revisor beim Deutschen Handballbund und Geschäftsführer des Wasserbeschaffungsverbands Veltheim. Wie kann ein Mensch das alles schaffen und was motiviert Sie?

Zugegeben, manchmal war es schon viel. Und heute versuche ich, mehr Grenzen zu setzen, um auch mal Zeit für mich zu haben, schließlich reise ich auch sehr gerne. In erster Linie hat es mir aber immer sehr viel Spaß gemacht, Dinge nach vorne zu bringen und Menschen zu unterstützen.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

Drei Fragen an … Projektentwickler Philipp Hausdörffer: „Es braucht Zusammenhalt in Minden“ (#200in365, No.62)

Philipp Hausdörffer sprüht vor Idee für seine Heimatstadt. MT-Foto: Piel

Philipp Hausdörffer ist in Minden zwischen den Brücken geboren und sei schon immer „ein wilder Bursche“ gewesen, wie er sagt. Der gelernte Wasserbauer hat ein paar Monate in München gewohnt und später viele Jahre in Porta, wo er ein altes Bauernhaus in ein Gasthaus umbaute. Danach war er Fluglehrer, habe mehr als 100 Piloten ausgebildet. 2005 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, für die er seitdem eine Menge Ideen hat.

Wie viel Potenzial hat Ihre Heimatstadt?

Ein unheimliches. Aber es reicht nicht, wenn es das Bestreben gibt, eine Multihalle zu bauen. Eine Halle alleine brächte kein Leben aufs rechte Weserufer. Dafür bräuchte es mehr, Wassersport am Weserhafen zum Beispiel oder ein Wohngebiet. Auch aus dem Rampenloch könnte viel werden oder aus dem Gefängnishof.

Was ist Ihre Motivation sich einzusetzen?

Das liegt in den Genen. Meine Mutter war auch so. Ich kann einfach nicht anders als mich für Minden einzusetzen.

Es gibt Leute, die meinen, Sie hätten viele Ideen, aber es würde zu wenig Realität daraus. Können Sie das nachvollziehen?

Diese Leute mag es geben, aber das stimmt ja nicht. Wir haben 2006 angefangen einen Weinberg an der Marienkirche zu bauen, wo bis heute Wein wächst. Ich habe die Bundesbank-Filiale verkauft. Ich liefere fertige Konzepte etwa für die Obermarkt-Passage, in die wunderbar ein Kino passen würde. Es muss sich nur jemand finden, der diese Konzepte umsetzt. Letztlich muss man es wollen. Dafür braucht es Zusammenhalt in Minden – da ist noch Luft nach oben.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur