Daily Archives: 2. Oktober 2018

Das Moor und die Bundeswehr (#200in365, No.59)

Sandra Meier und Lothar Meckling setzen sich für den Erhalt des Großen Torfmoores ein. MTFoto:
Benjamin Piel

Das Moor nahe Meppen im Emsland brennt nicht mehr – zumindest nicht an der Oberfläche. Unterirdisch schwelt der Brand weiter. Das ist das Schwierige an einem Moorbrand, der sich unterirdisch und schwer bis gar nicht kontrollierbar weiterfrisst. Lothar Meckling weiß um die Gefahr eines Moorbrandes nur zu gut. Der Kreisvorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) kümmert sich mit rund 50 weiteren Ehrenamtlichen um das Große Torfmoor in Hille. Dass anderswo im Auftrag der Bundeswehr Raketentests, die Brände auslösen können, in der Nähe einer Moorfläche gemacht werden, kann er nicht nachvollziehen. Doch auch das Verhalten der Bundeswehr gegenüber der heimischen Natur lässt ihn und Pressewartin Sandra Meier manchmal die Köpfe schütteln.

Der Sommer war heiß und trocken. Ist es da nicht merkwürdig, wenn ein Unternehmen wie Airbus Helicopters im Auftrag der Bundeswehr Schießübungen nahe eines Moores im Emsland durchführt und einen Großbrand auslöst?

Lothar Meckling: Das ist eine saublöde Dummheit, anders lässt sich das nicht sagen. Jeder weiß, dass so etwas brandgefährlich ist. Nicht umsonst ist noch im Krieg auch hier Torf als Brennstoff gewonnen worden. Besonders bedenklich ist, dass Moore Kohlenstoff binden, der im Falle eines Brandes freigesetzt wird.

Kennen Sie als jemand, der sich um eine große Moorfläche kümmert, auch Konflikte mit der Bundeswehr?

Meckling: Viele Konflikte mit der Bundeswehr haben wir nicht. Aber wenn 5.000 Soldaten mitten in der Brut- und Setzzeit eine Großübung beispielsweise in der Weseraue machen, da stehen uns als Naturschützern schon die Haare zu Berge. Am Rande des Großen Torfmoores macht die Bundeswehr hin und wieder auch Hub- und Senkübungen mit Hubschraubern. Ich habe da mal nachgehakt, aber daran ist nichts zu ändern. In FFH- und Vogelschutzgebieten sollte man sich besser absprechen. Und überhaupt finde ich, dass die Bundeswehr ihre Übungen anderswohin legen könnte.

Was ist das Besondere am Großen Torfmoor?

Sandra Meier: Es handelt sich um den größten Hochmoorkomplex in NRW. Er wird nur noch gespeist vom Regenwasser, das er hält wie ein Schwamm, nicht mehr aus dem Grundwasser. Zwar ist das Moor eher artenarm, dafür gibt es hier viele Spezialisten. Libellenarten oder Pflanzen wie Lungenenzian, Sonnentau oder verschiedene Heidearten. Botanisch ist das Moor interessanter als faunistisch.

Wie ist es zum Nabu-Engagement für das Moor gekommen?

Meckling: In den 70er-Jahren gab es mal Ideen, Berliner Müll hier reinzufahren. Da ist der Nabu aktiv geworden. So begann erst dilettantisch, dann immer professioneller eine Moor-Renaturierung. Das Moor ist einst entwässert worden, was die Moorflächen geschädigt hat. Außerdem sind zerstörte Moore Klimakiller, die Kohlenstoff freisetzen. Deshalb gibt es ein großes Interesse, die Moore feucht zu halten. Entwässerungsgräben sind zugemacht und Birken gefällt worden, die viel Wasser aus dem Boden gezogen haben.

Das Hiller Moor ist ein Besuchermagnet. Ihren Schätzungen zufolge kommen mehr als 10.000 Besucher im Jahr hierher. Ist das nicht auch ein Problem?

Meier: Natürlich gibt es den Konflikt zwischen Schutzgebieten und einem freien Zugang in solche Gebiete. Wir bemühen uns um gelenkte Besucherströme, haben drei Umweltbildner eingestellt, die Führungen anbieten. Die Menschen sollen auf den Wegen bleiben. Es gibt mehrere Rundwege, die zwischen zwei und sieben Kilometern lang sind. Es kommen auch Kindergartengruppen und Schulklassen zu uns.

Tut der Nabu auch ansonsten mehr als Brutkästen aufzuhängen?

Meckling: Und ob. Wir sind umweltpolitisch aktiv, geben als Träger öffentlicher Belange zum Beispiel unsere Stellungnahme ab, wenn ein Windrad aufgestellt werden soll. Das ist für uns als Ehrenamtliche eine große Herausforderung. Es ist kritisch zu betrachten, dass gesetzlich immer mehr Aufgaben dem ehrenamtlichen Naturschutz zugeschoben werden, der das eigentlich gar nicht leisten kann. Eigentlich bräuchten wir auf einer halben Stelle einen Juristen. Den gibt es aber nicht. Aber die andere Seite, die kommt gleich mit zwei Anwälten.

Wie hat sich die Situation für die Natur innerhalb der zurückliegenden Jahre entwickelt?

Meckling: Im Großen und Ganzen ist die Situation schlechter geworden, beispielsweise im Zusammenhang mit der fortschreitenden Flächenversiegelung. Das muss man sich mal vorstellen: Die Rebhuhn-Vorkommen sind um 95 Prozent zurückgegangen. Selbst Allerweltsarten haben abgenommen.

Wie sieht es beim Thema Insektensterben aus? Die Studie, die eine große Debatte ausgelöst hatte, war ihrer dünnen Zahlenbasis wegen auch kritisiert worden.

Meckling: Dass die Zahl der Arten deutlich gesunken ist, ist in der Fachwelt unumstritten. Das Insektensterben ist Fakt. Ebenso, dass auf den landwirtschaftlichen Flächen tote Hose ist. Um diese Erkenntnis kommt man nicht herum. Es ist ein weltweites Problem und wir brauchen eine Agrarwende, denn so kann es nicht weitergehen. Ein Teil der Lösung könnte sein, Flächenprämien an Leistungen für die Umwelt zu koppeln statt das Geld einfach auszuzahlen. Die Monotonisierung auf immer größeren Schlägen ohne Hecken dazwischen führt zwangsläufig zu wegfallenden Lebensräumen. Ein Lösungsansatz könnte eine blütenreichere Bewirtschaftung der Wegeseitenränder sein. In Lübbecke redet man sogar darüber, für ein Industriegebiet an ein Naturschutzgebiet ranzugehen, weil keine anderen Flächen mehr da sind. Das geht nicht.

Ist es nicht frustrierend, so viel Arbeit in ein Ehrenamt zu stecken und die Probleme nicht verschwinden, sondern wachsen zu sehen?

Meier: Das Große Torfmoor und das Moorhus, das vor fünf Jahren als Besucherzentrum errichtet wurde, sind eine Erfolgsgeschichte. An solchen Projekten halten wir fest. Die Augen zu verschließen oder aufzugeben, das wäre für uns keine Alternative.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

Das Bürger-Bündnis Minden (BBM) möchte die Stadtpolitik verändern, hat aber nur einen Sitz. Was motiviert Claudia Herzinger-Möhlmann? (#200in365, No.58)

Stadträtin Claudia Herzinger-Möhlmann und Vorsitzender Anton Dschida wollen Minden mit
intensiver kommunalpolitischer Arbeit nach vorne bringen. Mit nur einem Sitz im Stadtrat ist
das allerdings ein schwieriges Unterfangen.MT-Foto: Benjamin Piel

Den Finger in die Wunden von Stadtrat und Verwaltung legen: Das will das Bürger-Bündnis Minden (BBM). Wenn Vorsitzender Anton Dschida etwas kann, dann mit den Wunden anderer so umgehen, dass sie die Schmerzpunkte nicht vergessen. Wenn sich Krusten bilden, fährt Dschida die Nägel aus und kratzt los. Er meint, die Stadt so voranbringen zu können.

Dschida ist ein streitbarer Mann. Gibt es Meinungsverschiedenheiten, dann schweigt er nicht. Er benennt seinen Ärger, wenn ihn welcher drückt. Nicht jeder dürfte das lustig finden, aber zumindest ist es nicht langweilig. Das war schon so, als der Versicherungsunternehmer mit anderen für die Wiedereröffnung des Sommerbads kämpfte. Er war Geschäftsführer des Vereins, der das Bad damals pachtete und seitdem betreibt.

2009 hat BBM zum ersten Mal an der Kommunalwahl teilgenommen und zwei Plätze errungen. „Bürgernahe Politik in der Mitte des politischen Spektrums“, so beschreibt Dschida die Position seiner Gruppe. Er sieht sie als unabhängig von den beiden großen Fraktionen der SPD und der CDU an. Bei der jüngsten Kommunalwahl hat das BBM einen Sitz im Rat verloren. Seitdem sitzt nur noch Claudia Herzinger-Möhlmann im Rat. Ihr ist es wichtig, sich tief in die anliegenden Themen einzuarbeiten. „Mitschwimmen und Wackeldackel ist nicht unsere Sache“, sagt sie. Sie will nachhaken, auch gegen den Widerstand

Den Kurs, Themen möglichst zügig durchbringen zu wollen, kann sie nicht verstehen. Sie hat den Eindruck, dass einige Ratskollegen genervt sind, wenn sie mal wieder alles ganz genau wissen will. Die studierte Biotechnologin bemängelt, dass ihrer Wahrnehmung nach nicht mehr als zehn Ratsleute einen Haushalt tatsächlich lesen können: „Ich würde mir wünschen, dass alle wissen, was sie da eigentlich entscheiden.“ Weil es nicht so sei, entstehe für sie der Eindruck, dass die Mehrheit des Rates Schwierigkeiten habe, seiner Verantwortung nachzukommen, die Verwaltung angemessen zu kontrollieren.

Woher kommt der Ehrgeiz, die Aufgabe so zeitaufwendig zu betreiben, obwohl das Bündnis keine Durchschlagskraft hat? „Ich finde Politik spannend, liebe Zahlen und so arbeite ich in meiner Freizeit den Haushalt durch“, antwortet Herzinger-Möhlmann, die sich für mehr Frauen in der Kommunalpolitik einsetzt. Ihr Kollege Dschida hält Fundamentalkritik für notwendig. Parteibücher seien „Gift für die Kommunalpolitik“, weil der Fraktionszwang Mehrheiten schaffe, die gar nicht zustande kämen, würden die Ratsmitglieder allein gemäß ihrem Gewissen entscheiden. Eine Einschätzung, die einige Vertreter von SPD und CDU nerven dürfte. Und genau das ist das Ziel.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

Vorteilsseiten: Neue Aktionen für MT-Karteninhaber

Eine Sonderaktion des Marktpartners Alfons Otto – Modehaus  sowie weitere besondere Angebote und Ticketverlosungen finden Sie auf den MT-Karten Vorteilsseiten für den Monat Oktober.

Unsere  Leserreise geht nach Bad Kolberg – Hafenstadt, Ferienzentrum und Seebad zugleich. Außerdem verlosen wir unter anderem  für unsere MT-Karteninhaber Eintrittskarten für den Winterzauber in Herrenhausen.

Das Magazin finden Sie als eBook auf MT.de und natürlich im ePaper und der ePaper-App.