Daily Archives: 22. Juli 2018

Der Verdruss-Bekämpfer – Matthias Spiller aus Wasserstraße will mitgestalten statt mosern. Auch in der SPD (#200in365, No.21)

Ärgert sich über Ämterhäufung: Matthias Spiller. MT-Foto: Piel

An der Politik hat Matthias Spiller aus Petershagen-Wasserstraße so einiges auszusetzen. Das geht nicht wenigen Menschen so. Die stammtischen sich dann durchs Leben und schimpfen auf „die da oben“. Der 58-Jährige will das nicht. Er ärgert sich auch über vieles, was in der Politik läuft. Aber Stammtischsprüche zu klopfen, das ist ihm zu blöd. Seine Strategie: „Ich habe kein Amt und kein Mandat, aber ich mache aktiv Politik – das geht.“

Nach einem Ausflug als Landes- und Kreisverbandsvorsitzender zur Freien Union der CSU-Rebellin und ehemaligen Fürther Landrätin Gabriele Pauli trat Spiller im November in die SPD ein. An der großen Partei, die einige eine „ehemalige Volkspartei“ nennen, hat Spieler zwar einiges auszusetzen. Aber nicht genug, um nicht das Gefühl zu haben, etwas tun zu können, um die Partei wieder nach oben zu bringen. „Wenn ihr Protest wählen wollt“, sagt er den Leuten, „dann wählt SPD.“ So weit ist es schon.

Ein Thema, das Spiller umtreibt, ist Ämterhäufung. Dass vor allem in den großen Parteien „wenige Menschen viele Posten“ haben, ärgert ihn, der findet: „Wer mehr als ein oder zwei Ämter hat, der kann nicht gut vorbereitet in Sitzungen gehen.“ Fundiert vorbereitete Kommunalpolitiker hat er in der Vergangenheit oft vermisst. Kommunalpolitiker, die sich bemühen, die Themen in der Tiefe zu durchsteigen und kritische Fragen zu formulieren statt bloß die Hände zu heben und Stimmvieh zu sein. Der Schlosser fordert, Ämter auf mehr Sozialdemokraten zu verteilen und die Partei dadurch breiter aufzustellen. „Ein oder zwei Funktionen, die aber richtig“, das würde die Partei bürgernäher machen. Das es daran aus Spillers Sicht noch hapert, hänge damit zusammen, dass mehr Einfluss habe, wer viele Ämter auf sich vereinige. „Und wer erstmal zwei, drei hat, der bekommt das vierte und fünfte auch noch.“

Trotzdem: Unzufrieden ist Spiller mit seiner Partei nicht. Er hat das Gefühl, sich auch ohne Amt und Mandat einbringen zu können. Vor allem will er Politikverdrossene überzeugen, sich nicht zurückzuziehen, sondern politisch zu engagieren.

„Politik muss Menschen interessieren“, fordert er. Dazu will er beitragen: „Ich kann Politikverdrossenen nur raten, sich nicht zurückzuziehen, sondern aktiv einzusteigen in die Politik.“ Beim Arbeitskreis für Arbeitnehmerfragen in Minden-Lübbecke diskutieren er und die anderen Mitglieder „alles, was irgendwie mit Arbeitnehmern zu tun hat“. Auch das ist für ihn ein zentraler Punkt einer möglichen SPD-Erneuerung: mehr Kontakt zu den Arbeitnehmern.

Und wenn mal jemand sagt, dass Politiker ja doch nichts machen, dann holt Matthias Spiller die gebundenen Anträge zum Bundesparteitag 2017 raus: 546 Seiten im Din-A-4-Format.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

„Nicht gegen, sondern für etwas stehen“ (#200in365, No.20)

Setzt sich für Toleranz, Weltoffenheit und Inklusion ein: Grünen-Kreisgeschäftsführerin Jana Sasse. MT-Foto: Piel

Jana Sasse ist die Kreisgeschäftsführerin der Grünen in Minden-Lübbecke und hat 2017 für den Bundestag kandidiert. Die 23-jährige Studentinglaubt daran, dass es besser ist, für etwas als gegen etwas zu sein. Sie nimmt wahr, dass das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) dazu geführt hat, dass wieder mehr junge Menschen politisiert sind.

Die Grünen, das waren mal die jungen Wilden. Heute ist es eine Partei, die angekommen ist in der Mitte der Gesellschaft. Manche meinen, die Partei sei angepasst, stromlinienförmig und wirtschaftsnah. Kann eine Nachwuchsorganisation wie die Grüne Jugend daran überhaupt etwas ändern?

Die Grüne Jugend hat junge Köpfe und neue Ideen. Es treten wieder mehr junge Leute in die Partei ein. In diesem Jahr sind es schon so viele wie im ganzen vergangenen Jahr- zwischen 15 und 20 im Kreis. „Ich muss jetzt was tun, ich kann der AfD nicht nur einfach zuschauen“, das höre ich von Neu-Mitgliedern immer wieder. Unsere komplett eigenständige Organisation zeigt klare Kante. Wir müssen ran, noch mehr Leute für die Grüne Jugend zu gewinnen. In den Gremien auf Kreiseben sind einige Ältere, früher oder später braucht es jüngere politische Vertreter. Wir müssen uns den Steinen stellen, die uns in den Weg gelegt werden,müssen ein Funke sein für die Grünen.

Springt dieser Funke denn über?

Durchaus. Mir gefällt jemand wie Robert Habeck (seit Januar Bundesvorsitzender der Grünen, Anmerkung der Redaktion). Er steht für Weltoffenheit, Toleranz gegenüber anders lebenden und liebenden Menschen. Er spricht aus, was er denkt. Solche Leute braucht es.

Wo sehen Sie Ihre eigenen politischen Schwerpunkte?

Wir müssen uns mit den übrigen demokratischen Parteien zusammentun gegen rechte Kräfte. Wenn wir uns untereinander auch noch streiten, dann haben wir ein großes Problem. Es liegt mir daran, mehr Öffentlichkeit herzustellen, mehr auf Demos aktiv zu sein, zurück zur aktivistischen Wurzel zu gehen. Man darf nicht vergessen,dass auch so etwas wie das AntiAtom-Thema noch lange nicht durch ist. Das Atomkraftwerk im belgischen Tihange ist keine 60 Kilometer von Aachen entfernt.

Was tun Sie, damit junge Leute die Grüne Jugend wahrnehmen oder sogar attraktiv finden?

Wir wollen Neumitgliedertage veranstalten. Wir sind noch so wie in den 80ern, das ist eine wichtige Botschaft. Es ist noch Luft nach oben, klar. Mir ist es wichtig, nicht in erster Linie gegen etwas, sondern für etwas zu stehen: für Inklusion oder Toleranz. Klar bin ich gegen die AfD, aber ich möchte die Energie, die ich habe, lieber für etwas einsetzen. Alles andere finde ich einfach nur anstrengend.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur

Drei Fragen an … Waltraud Binöder von der Künstlergruppe „Die Bildner“ – „Wir haben uns immer wieder zusammengerauft“ (#200in365, No. 19)

Waltraud Binöder genießt es, sich mit anderen ein Atelier zu teilen. Foto Koch

Mit der Künstlerwerkstatt „Die Bildner“ in Minderheide betreiben 14 Künstler gemeinsam ein Atelier. Dass jeder seinen eigenen Stil hat, ist willkommen. Dass niemand perfekt ist, ist erwünscht. Nur kunsthandwerklich soll es nicht sein, betont Holzbildhauerin Waltraud Binöder.

Wie gut vertragen sich so viele Künstler?

Gut, sehr gut sogar. Viele sind sich gegenseitig eine Inspiration, vielleicht gerade der Verschiedenartigkeit wegen. Es gibt Maler, Drucker, Bildhauer, Keramiker. Wir entwickeln uns miteinander, wachsen aneinander und beeinflussen uns gegenseitig. Es zieht mal jemand weg, aber rauswerfen müssen haben wir noch niemanden. Wir sind sehr individuelle Typen, die sich aber immer wieder zusammenraufen. Übrigens: Ateliergemeinschaften, die über so eine lange Zeit bestehen und mit dieser Vielfalt, gibt es gar nicht viele in Deutschland.

Ein Atelier ganz in der Nähe eines Wertstoffhofs, wo Menschen ihren Müll hinbringen. Wie ist es dazu gekommen?

Die britischen Soldaten sind aus Minden abgezogen. Früher waren unsere heutigen Ateliers, die wir gemietet haben, Offiziersräume. Die Baracken standen dann zuerst leer. Seit zehn Jahren ist das Zentrallager unser Vermieter. Etwas Besseres hätte uns überhaupt nicht passieren können.

Was ist für Sie das Wichtigste an Ihrer künstlerischen Arbeit?

Spaß zu haben, miteinander zu sein, etwas zu produzieren, zu schaffen und zu zeigen. Für viele von uns ist das eine Art der Meditation.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur