Daily Archives: 15. März 2018

“Man merkt der Zeitung an, dass sie nicht vom Schreibtisch aus gemacht wird”

Die Blattkritik in der Frühkonferenz kam am Donnerstagmorgen von Johanna Steinlen und Sophie Richter. Die Teilnehmerinnen der Jona-Basisakademie, die derzeit beim Mindener Tageblatt stattfindet (siehe Text), hatten eine lange Liste von Anmerkungen mitgebracht. Foto: Rogge

“Die Überschrift auf der Titelseite ist ohne Hintergrundwissen unverständlich, zumindest aber unklar. Auch die Unterzeile hilft da nicht weiter”. Für die Redaktion des Mindener Tageblatts ist sie Routine, für Johanna Steinlen und Sophie Richter war sie das nicht: Die morgendliche Blattkritik in der Frühkonferenz  übernimmt in der Regel die Chefredaktion. Am Donnerstag trugen die beiden Nachwuchsjournalistinnen vor, was ihnen in der Print-Ausgabe vom Tag gefallen hatte – und was nicht. Dabei übermittelten sie auch Anmerkungen der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der aktuell im Verlagsgebäude stattfindenden Basisakademie der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Schon beim Frühstück hatten die 15 Nachwuchsjournalisten wie schon täglich seit der vor vier Wochen angelaufenen Seminarvorbereitung die Zeitung intensiv studiert, und waren dementsprechend mit einer langen Liste an Anmerkungen und Kritik angetreten. Lob und Anerkennung gab es aber auch. Mit den Vertretern der Redaktionen diskutierten die jungen Kolleginnen über Überschriften, Bildunterzeilen, Formulierungen und Fehler, aber auch über die Gestaltung von Artikeln und Seiten. Über ein Lob freuten sich die anwesenden Redaktionsangehörigen besonders: Man merke der Zeitung an, dass sie nicht vom Schreibtisch aus gemacht werde, gaben die Gast-Kritikerinnen ihren Eindruck wieder.

Alle Teilnehmer der Basisakademie werden im Zuge der Print-Ausbildung (es gibt auch noch eine Hörfunk-Woche) selbst jeweils einen Bericht und eine Reportage verfassen. Die Themen wurden am Sonntagabend auf einer gemeinsamen Konferenz mit der MT-Redaktion vereinbart. Die ersten Artikel der Stipendiaten werden in den nächsten Tagen ihren Weg in die Zeitung finden – dann werden sie sich selbst der Blattkritik stellen müssen.

Übrigens: Wie es dazu kam, dass die von der Redaktion spätnachts im Zuge der zahlreichen Aktualisierungen rund um die Hille-Berichterstattung tatsächlich geänderte Überschrift (Von Dritte Leiche gefunden” zu “”Zwei weitere Leichen”) nur noch ihren Weg in die Digitalausgabe fand, aber nicht ,mehr in die Printausgabe – das konnte in der Frühkonferenz noch nicht geklärt werden.

Von Jan Henning Rogge, Digital-Redaktion und Ausbildungsredakteur

“Pulse of Europe” ausgezeichnet: Der “Bürgerpreis der deutschen Zeitungen” geht auch ein bisschen nach Minden

So sah es bei der Premiere der “Pulse of Europe”-Bewegung auf dem Markt in Minden aus. Archiv-Foto: Langenkämper

Zu einem kleinen Teil geht der “Bürgerpreis der deutschen Zeitungen” in diesem Jahr auch nach Minden. Die Chefredakteurs-Jury stimmte für Sabine und Dr. Daniel Röder, deren Idee „Pulse of Europe“ im vergangenen Jahr zu einer Bewegung in mehr als 100 Städten – darunter Minden – in 20 europäischen Ländern wurde. Damit folgte die Jury einem Vorschlag der „Frankfurter Neuen Presse“ und des „Kölner Stadt-Anzeigers“. Der Preis wurde gestern in Berlin an das Ehepaar aus Frankfurt übergeben.

Das Engagement der Juristen Sabine und Daniel Röder begann mit einem doppelten Schock: Die Briten hatten sich für den Brexit entschieden, die US-Amerikaner Monate später Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Und in einem Haus in Frankfurt saß damals, in der Nacht vom 8. auf den 9. November 2016, das Ehepaar Röder und verstand die Welt nicht mehr. „Wir waren ernsthaft besorgt“, sagt Sabine Röder. „Wir mussten etwas machen“, ergänzt Daniel Röder. Noch während die Welt sich einen Reim auf Donald Trump zu machen suchte, setzte er sich an seinen Laptop und schrieb Mails an Freunde und Bekannte. Die Röders sahen Europa in Gefahr. Das war der Anfang von „Pulse of Europe“.

Heute sind die Röders bekannt im ganzen Land. Was im Dezember 2016 mit Freunden und Bekannten auf dem Goetheplatz als Happening begann, entwickelte sich wie ein Schneeballsystem. Bereits im Frühjahr 2017 besuchten gut 6000 Teilnehmer die Kundgebungen der proeuropäischen Bewegung in der Frankfurter Innenstadt, immer wieder sonntags. „Wir demonstrieren für etwas, wir protestieren nicht gegen etwas“, sagt Daniel Röder, als es um die zehn Grundthesen geht, denen sich die „Pulse“-Demonstranten verschrieben haben. Freiheit ist darin das Schlüsselwort, Reformen werden darin allgemein gefordert, jeder ist darin aufgerufen mitzumachen. „Wir überlassen die konkreten Reformen denen, die dafür zuständig sind“, sagt Sabine Röder. Öffentliche Stellungnahmen dienen einzig dazu, der „Politik ein bisschen mehr auf die Finger zu klopfen“, ergänzt ihr Mann. „Aber dabei bleiben wir unabhängig und überparteilich.“

Daniel Röder ist Vorsitzender des für „Pulse“ gegründeten Vereins, zwei Hauptamtliche sind für ihn mittlerweile tätig, finanziert durch Spenden. Sabine Röder arbeitet zurzeit auf Sparflamme, die Familie verzichtet fast auf ein komplettes Gehalt. Die Wertekoordinaten haben sich verschoben, seit sie an sich diese neue Seite kennengelernt haben. „Pulse gibt uns unheimlich viel zurück“, sagt Sabine Röder.

Aber es gibt auch bösen Gegenwind: Die Röders erhalten Hassmails, als „Vaterlandsverräter“ werden sie beschimpft. „Am nächsten Laternenpfahl sollte man euch aufhängen.“ Solche Sachen stehen da geschrieben. „Ich versuche, das gar nicht mehr wahrzunehmen“, sagt Sabine Röder.

Im April 2017 schlug der Puls Europas zum ersten Mal in Minden, zwei Veranstaltungen folgten. Mehrere Akteure hatten sich zu einem Netzwerk zusammengefunden. Jochen Klostermeyer, Gottfried Kasel und Matthias Lehmann stießen auf einer Feier auf das Thema, Hans-Georg Stremlau machte seinen Sorgen um Europa in einem Leserbrief an das MT Luft und die Journalistin Tara Schuch stieß auf ihrer Suche nach Mitstreitern auf die Menschen, die später die Pulse of Europe-Bewegung nach Minden brachten.

Von Henning Wandel, stv. Leiter Lokalredaktion, mit Material vom BDZV

 

Siehe auch “Eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft: Bericht von der Verleihung” des Bürgerpreises”

 

“Eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft”: Bericht von der Preisverleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen

Die Initiatoren der “Pulse of Europe”-Bewegung, Daniel und Sabine Röder, zusammen mit Laudator Armin Laschet (l.) und BDZV-Präsident Matthias Döpfner bei der Preisverleihung in Berlin:. Foto: BDZV / Bettina Ausserhofer

„Die Gründer von ‚Pulse of Europe‘, Sabine und Daniel Röder, haben eine Bewegung angestoßen, die nicht von oben verordnet wurde, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommt.“ Das sagte gestern in Berlin der Präsident des BDZV, Dr. Mathias Döpfner. Der Preis sei ein wichtiges Signal für Bürgersinn und Stärkung der Zivilgesellschaft „in einer Zeit, in der Populisten und Diktatoren Furchtbares anrichten“. Besonders beeindruckend sei dabei, erklärte der BDZV-Präsident, mit welcher Heiterkeit und Gelassenheit das Ehepaar seine Initiative vorantreibe.

Die Jury – alle Chefredakteure der im BDZV organisierten Verlage – hatte den beiden Frankfurter Wirtschaftsjuristen die mit 20.000 Euro dotierte Ehrung für ihr Engagement für die europäische Idee zugesprochen. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, betonte vor den rund 150 geladenen Gästen aus Politik und Medien in Berlin, dass es in diesem Jahr, in dem so viele wichtige europapolitische Entscheidungen anstehen, keinen besseren Preisträger geben könne als „Pulse of Europe“, und sagte: „Die großen Veränderungen in der Welt beginnen oft mit wenigen Menschen, die zum richtigen Zeitpunkt das Richtige machen.“ Er selbst habe „Pulse of Europe“-Demonstrationen auf dem Berliner Gendarmenmarkt wie auch vor dem Aachener Dom erlebt, wo hunderte Menschen zusammengekommen seien, um zu sagen: „Wir kämpfen für dieses Europa.“ Es sei das große Verdienst der Röders, erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, den öffentlichen Raum sichtbar für eine positive Bewegung zurückerobert zu haben.

„Nach der Brexit-Entscheidung und der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA war uns schlagartig klar, dass die Zeit des erschrocken-auf-dem-Sofa-Sitzens vorbei ist und wir selbst etwas tun müssen“, berichtete Daniel Röder über die Anfänge der Bewegung im November 2016. Und seine Frau Sabine Röder ergänzte: „Es reicht nicht, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen, jetzt ist die Zeit der Zivilgesellschaft, sie ist gefragter denn je.“ Während der Name „Pulse of Europe“ vom ersten Tag an feststand, sei allerdings zunächst eher an eine Lichterkette quer durch Europa im Stil der 80er Jahre gedacht gewesen, verriet das Ehepaar. Erst die Unterstützung vieler Freunde habe aus der Idee eine Bewegung gemacht. „Genau wie wir haben viele Menschen Angst um Europa und den europäischen Gedanken. Wir haben mit ‚Pulse of Europe‘ ein überparteiliches Forum geschaffen, auf dem sie für ihre Überzeugung öffentlich eintreten können.“

Der “von den Chefredakteuren gemeinsam zuerkannte “Bürgerpreis der deutschen Zeitungen” wurde gestern in Berlin an die Preisträger des Jahres 2018 verliehen.Foto: BDZV / Bettina Ausserhofer

Der Bürgerpreis wird seit dem Jahr 2010 vom BDZV für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgeschrieben und ist mit 20.000 Euro dotiert. Ausgezeichnet als „Deutschlands Bürger/Bürgerin des Jahres“ werden Personen, die auch jenseits ihrer eigentlichen Profession Herausragendes für die Gesellschaft leisten. Die deutsche Nationalität ist ausdrücklich nicht Voraussetzung. Vorschläge für die Würdigung können ausschließlich durch die Zeitungen eingereicht werden. Die Jury besteht aus den 259 Chefredakteuren der BDZV-Mitgliedsverlage.

Zuletzt als „Bürger des Jahres“ geehrt wurde der Autor und Essayist Navid Kermani. Der Vorschlag kam von fünf Zeitungen gemeinsam: „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Kölnische Rundschau“, „Express“ (Köln), „Rheinische Post“ (Düsseldorf) und „General-Anzeiger“ (Bonn).  Zuvor ging die Würdigung an Elisabeth Ehninger, Gründerin des Vereins Dresden – Place to be (nominiert von den „Dresdener Neuesten Nachrichten“), an den (2016 gestorbenen) Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur/Deutsche Notärzte e.V. und des Friedenskorps Grünhelme Rupert Neudeck(nominiert vom „Kölner-Stadt-Anzeiger“), an Gaby Wentland (nominiert vom „Hamburger Abendblatt“), Nora Weisbrod (nominiert von der „Allgemeinen Zeitung“, Mainz, und dem „Wiesbadener Kurier“), das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer (nominiert von der „Ostsee-Zeitung“, Rostock) sowie als ersten Preisträger 2010 an Thomas Beckmann(nominiert von der „Rheinischen Post“, Düsseldorf). Die aktuellen Preisträger Sabine und Dr. Daniel Röder wurden gemeinsam von „Frankfurter Neue Presse“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“ nominiert.

Die Preisträger Sabine und Dr. Daniel Röder hatten am 1. Advent 2016 erstmals dazu aufgerufen, für den Erhalt einer vereinten, friedlichen und demokratischen Europäischen Union öffentlich zu demonstrieren. Mittlerweile zählen rund 130 Städte in 20 europäischen Ländern zum Netzwerk der Initiative. Die Jury würdigte mit ihrer Wahl, dass durch den großen persönlichen Einsatz des Ehepaars und seiner Freunde aus einer kleinen Frankfurter Aktion eine starke internationale Bewegung wurde.

Quelle: BDZV

Siehe auch „Pulse of Europe“ ausgezeichnet: Der „Bürgerpreis der deutschen Zeitungen“ geht auch ein bisschen nach Minden”