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Jetzt auch Spiegel, Zeit und FAZ: Immer mehr Online-Medien führen Bezahlmodelle ein

Beim Internetdienst des MT gibt es seit fast zwei Jahren ein Bezahlmodell. Repro: MT

Beim Internetdienst des MT gibt es seit fast zwei Jahren ein Bezahlmodell. Repro: MT

Für digitale journalistische Inhalte Geld zu verlangen, schien lange Zeit schwierig. Inzwischen ist beim Thema Paid Content viel in Bewegung geraten. immer mehr Medien führen Bezahlmodelle ein. „Paid Content ist für die Verlage derzeit eines der wichtigsten Themen“, sagt Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ).

„Vor zwei, drei Jahren gab es nur zarte Pflänzchen“, beschreibt Scherzer die Entwicklung. Das habe sich erheblich gewandelt. „Und ich erwarte, dass das Jahr 2017 im Zeichen von digitalem Paid Content stehen wird.“ Das gilt nicht nur für Magazine, bereits 122 von 333 Tageszeitungsverlagen in Deutschland hätten Bezahlmodelle eingeführt. „Und es geht kontinuierlich weiter“, ergänzt Holger Kansky, Referent Multimedia beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

Ende Juni teilte der Spiegel-Verlag mit, auf „Spiegel Online“ einzelne Beiträge kostenpflichtig zu machen. Abgerechnet wird mit dem Bezahlsystem Laterpay – erst wenn ein Betrag von fünf Euro zusammengekommen ist, muss sich der Nutzer registrieren und zahlen. Mitte September folgte die „Frankfurter Rundschau“, die ebenfalls  per Laterpay abrechnet. Anfang Oktober gab die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) bekannt, ausgewählte Online-Artikel von „faz.net“ kostenpflichtig zu machen.

Auch der Zeit Verlag will in diesem Herbst mit einem Bezahlmodell starten. Der exakte Termin steht laut „Zeit online“-Geschäftsführer Christian Röpke noch nicht fest, die Bezahlvariante schon: „Was nach unserer Erfahrung erfolgreich ist, das sind Abos.“ Der Großteil der frei verfügbaren Inhalte von „Zeit Online“ bleibt es auch künftig. Andererseits sollen mehr Artikel aus der „Zeit“ integriert werden, die login-pflichtig sind. Ab einer bestimmten Zahl gelesener Artikel geht es nur für Abonnenten weiter.

Zu den Paid-Content-Pionieren gehörte Ende 2012 die „Welt“ aus dem Medienhaus Axel Springer. Bezahlvariante der Wahl war das Metered Model, bei dem eine festgelegte Menge an Berichten kostenfrei ist. „Es ist sowohl vom Handling intern als auch für den Nutzer sehr einfach“, sagt „WeltN24“-Geschäftsführerin Stephanie Caspar. Der Nachteil sei, dass die Bezahlpflicht nur davon abhängt, wie viele Artikel der Nutzer gelesen hat, nicht von der Qualität und Exklusivität.

Mitte September teilte der Verlag den Wechsel zum Freemium-Modell mit, bei dem exklusive oder aufwendig recherchierte Beiträge von vorneherein kostenpflichtig sind, andere Artikel aber kostenlos bleiben. Unabhängig vom Bezahlmodell nimmt Paid Content nach Caspars Überzeugung an Bedeutung zu: „Als wir 2012 angefangen haben, waren wir unter den überregionalen Qualitätsmedien die einzigen und haben auch Reaktionen bekommen, dass das kompletter Irrsin wäre“, sagt sie. „Wenn man sieht, wie sich die Branche verändert hat und auch die Zahlungsbereitschaft, hat sich doch eine ganze Menge getan.“

Allerdings haben die Erlöse noch nicht die Größenordnung wie im Print. „Ich bin eine Digitale, ich konsumiere die meisten unserer Inhalte digital, aber Print hat noch eine ganz entscheidende Stellung“, sagte Caspar. „Für mich ist derzeit noch nicht absehbar, wann Digital Print ablösen wird.“ „Bild“-Verlagsgeschäftsführerin Donata Hopfen sieht das ähnlich: Das kostenpflichtige Online-Angebot „Bild plus“ mit mehr als 330 000 Abonnenten sei bereits ein „relevanter Geschäftszweig“. Insgesamt gebe es eindeutig einen Trend zu Paid Content. Er bleibe aber nur eine Erlössäule neben Werbung.

Kurzfristig sei auch nicht die entscheidende Frage, ob sich durch die Paid-Content-Erlöse die Rückgänge im Printgeschäft kompensieren lassen. „Das sind zwei unterschiedliche Märkte.“ Das Gesamtziel müsse sein, unabhängigen Journalismus auch in der digitalen Welt langfristig möglich zu machen. VDZ-Geschäftsführer Stephan Scherzer bewertet die Entwicklung ähnlich: „Aktuell kann der Rückgang der Printauflage durch Paid Content nur abgemildert werden. Die Umsätze reichen noch nicht, um das zu kompensieren“, sagte er. „Wir reden bei den großen Titeln von fünf bis zehn Prozent der Umsätze, die meisten liegen unter fünf Prozent.“ Mittelfristig sei aber denkbar, dass sich das ändert.

Holger Kansky ergänzt: „Die Branche braucht einen langen Atem. Paid Content ist ein Marathon.“ Kansky weist auf eine Studie des IT-Branchenverbands Bitkom hin, nach der fast drei Viertel derjenigen, die nicht bereit sind, für journalistische Inhalte im Netz zu bezahlen, als Grund nannten, es gebe genügend kostenlose Alternativen. Das zeige, wie wichtig es sei, flächendeckend kostenpflichtige Angebote zu etablieren.

MT-Bezahlmodell seit 2014

Das Mindener Tageblatt hat für seine Internetseite MT.de im Jahr 2014 stufenweise ein Bezahlmodell eingeführt, das seit Januar 2015 vollständig in Kraft ist. Auch hier hat man sich für ein Freemium-Angebot entschieden, bei dem überregionale sowie anderweitig im Netz verfügbare Informationen frei bleiben, ebenso die Übersichtsseiten. Eigene Artikel der Redaktion sind – mit Ausnahmen bei besonderen Nachrichtenlagen – in der Regel kostenpflichtig, sie werden mit einem Plus-Symbol gekennzeichnet. Möglich sind monatsweise kündbare Abos (für Abonnenten der gedruckten Ausgabe oder des ePapers für den Vorzugspreis von 2,-/Monat, ansonsten 9,90/Monat), 24-Stunden-Tagespässe mit Zugriff auf alle Artikel der vergangenen 90 Tage (0,99 Euro) sowie der Einzelkauf von Artikel (0,79 Euro).

Autor: Andreas Heimann, DPA (mit Ergänzungen der MT-Redaktion)