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Das MT startet das Projekt „Wem gehört Minden?“

Screenshot: MT

Wohnen, Immobilien, Streit zwischen Mietern und Vermietern – das alles bewegt unsere Leser und Nutzer sehr. Um diesen Themen mehr Raum und Tiefe zu geben, startet das Mindener Tageblatt mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv das Projekt „Wem gehört Minden?“. Zusammen mit den Bürgern wollen wir mehr über den heimischen Wohnungsmarkt herausfinden.

Weil es in Deutschland nicht möglich ist, einfach ins Grundbuch zu schauen und dort die Immobilienbesitzer zu identifizieren, bitten wir um Hinweise: Wem gehört Ihre Wohnung? Welchen Quadratmeterpreis zahlen Sie? Diese und andere Informationen können Mieter uns auf der Internetseite www.wem-gehoert-minden.de zukommen lassen. Es geht nicht darum, Vermieter einzelner Wohnungen zu nennen, an den Pranger zu stellen oder gar eine lückenlose Übersicht auf die Beine zu stellen.

Was wir dagegen wollen: mehr Transparenz auf dem Mindener Immobilienmarkt. Um das zu erreichen setzen MT- und Correctiv-Redaktion möglichst viele Schlaglichter. Das müssen übrigens nicht immer nur kritische Geschichten sein. Vielleicht lässt sich an einem Beispiel zeigen, wo und warum es zwischen einem Vermieter und einem Mieter besonders gut läuft. Auch so etwas Beispielgebendes interessiert uns.

Correctiv hat das Projekt bereits in den Metropolen Hamburg, Berlin und Düsseldorf realisiert (etwa: https://interaktiv.tagesspiegel.de/wem-gehoert-berlin/). Mit Minden ist nun erstmals eine kleinere Stadt an der Reihe. Dort stellen sich Fragen, die jenen in den großen Städten ähnlich sind: Was hat der Wegfall der städtischen Wohnungsgesellschaft bewirkt? Welche Investoren sind im Markt unterwegs? Was sind ihre Strategien? Sind auch in den kleinen Städten Spekulanten aktiv?

Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern machen wir uns auf die Suche nach Antworten und freuen und auf ein spannendes Projekt!

Benjamin Piel
Chefredakteur

„Man hat immer elf Menschen gegen sich“ – Stefan Grabowsky aus Minden hat bisher bei 770 Spielen als Schiedsrichter auf dem Platz gestanden. Einmal musste er einem Spieler erklären, was Abseits ist (#200in365, No.125)

Ein Pfiff, viele Reaktionen: Schiedsrichter Stefan Grabowsky zieht die Gelbe Karte. Sowohl die
Spieler des SC Herford als auch des FC Kaunitz stürmen in der Landesligapartie im November
2012 auf ihn zu, der Unparteiische bleibt gelassen. Archivfoto: Eva-Lotte Heine

Manche sind immer die Dummen. Politessen, Gerichtsvollzieher, Steuerfahnder. Ohne sie geht es nicht. Aber wer es mit ihnen zu tun bekommt, freut sich darüber selten. Mit Schiedsrichtern ist es ähnlich. Eigentlich müssten die Spieler dankbar sein, dass überhaupt noch jemand in der Kreis- und Bezirksliga Spiele pfeift. Doch die Dankbarkeit hält sich in Grenzen. Das höchste Lob ist, wenn nach dem Spiel niemand über den Schiedsrichter spricht. Ein merkwürdiges Dasein, das der Mindener Schiedsrichter Stefan Grabowsky (49) trotzdem mag. Er hat 20 Jahre lang in der Landesliga gepfiffen und war bis in die Oberliga als Linienrichter aktiv. Als C-Jugend-Trainer der SV Kutenhausen-Todtenhausen ist er mit 24 Jahren durch Zufall an die Pfeife gekommen. Irgendwann musste er sich entscheiden: Wollte er sonntags um 15 Uhr mit Pfeife im Mund oder als Teil einer Mannschaft auf dem Sportplatz stehen? Der Mindener entschied sich für die Pfeife.

Können Sie sich erinnern, wann der Funke fürs Schiedsrichtern übergesprungen ist?

Als Jugendtrainer habe ich hin und wieder Spiele gepfiffen. Das gehört dazu. Bei einem Spiel in Dützen habe ich ein Tor nicht gegeben – zuungunsten der eigenen Mannschaft übrigens. Es hat auch niemand gemeckert. Aber nach dem Spiel kam jemand zu mir und sagte: „Das Tor hättest du geben müssen, der Spieler stand beim Pass hinter dem Ball.“ Der Mann hatte recht und mich hat es gewurmt. Von der Regel hatte ich noch nie etwas gehört. Ich habe dann einen Schiedsrichter-Lehrgang gemacht.

Mit welcher Erwartung?

Fast alle, die da hin gehen, denken, dass sie alles über Fußball wissen. Und dann merken sie schnell, dass sie fast gar nichts über die Regeln wissen. Es gibt viel mehr davon als die meisten denken. Wann ein direkter und wann ein indirekter Freistoß gegeben wird, da hört es bei vielen schon auf. Viele Feinheiten braucht man nur ganz selten, aber wenn man sie braucht, dann muss man sie als Schiedsrichter wissen.

Was ist sonst noch wichtig?

Das Selbstbewusstsein und der Ruf, der einem vorauseilt, sind die halbe Miete. Kommt da jemand, der vieles aufen lässt oder jemand, von dem alle wissen, dass er konsequent pfeift? Die Antwort auf diese Frage macht schon vor dem Spiel viel aus. Meine Leitlinie ist, dass ich jedes Spiel nach den bestehenden Regeln durchführen möchte – egal ob Freundschafts- oder Punktspiel. Die Mannschaften wissen das. Und selbst wenn sie es nicht wissen, merken sie auf dem Platz schnell, ob ein Schiedsrichter seinen Job ernst nimmt.

Wie kommunizieren Sie mit den Spielern?

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Als Schiedsrichter muss man sich behaupten und die eigene Position konsequent klar machen. Man hat immer elf Menschen gegen sich – mindestens. Damit muss man klar kommen. Ich spreche mit den Spielern, sieze sie konsequent und rede sie mit „Sportsfreund“ an: „Sportsfreund, treten Sie bitte ein Stück zurück.“ Das ist wertschätzend, aber auch klar und ein wenig distanzierend. Bei einer engen Entscheidung sage ich auch schonmal: „Ich hoffe, das ist jetzt nicht spielentscheidend.“ Das bringt etwas Lockerheit rein. Manchmal ist aber auch Ernst angesagt. „Beim nächsten Mal sind Sie dran“ – da weiß der Spieler genau, was los ist. Viel kann ich auch mit der Pfeife machen. Je nachdem, wie kräftig man dort hinein pfeift, kann man ein Signal setzen. Viele Situationen im Spiel wiederholen sich, das macht die ganze Sache mit wachsender Erfahrung leichter. Es gibt einige, die in den ersten zwei Jahren wieder aufhören, weil sie die Situation auf dem Platz nicht aushalten. Aber die meisten machen weiter.

Was ist die Kunst des Schiedsrichterns?

Dass das Spiel vernünftig zu Ende gebracht werden kann, was auch immer auf dem Platz passiert. Der Schiedsrichter hat die Möglichkeit, das Spiel zu beeinflussen – in eine positive, leider aber auch in eine negative Richtung. Wenn der Referee Sicherheit, nicht zuletzt Regelsicherheit, ausstrahlt, ist das viel wert. Wirkt er unsicher, dann nutzen Spieler und Trainer das aus. In einer positiven Weise berechenbar zu sein, ist wichtig. Und, dass der Schiedsrichter seine Entscheidungen mit Regeln begründet. Außerdem sollte der Schiedsrichter sich vorbereiten. Wenn es in einem Spiel um den Abstieg geht, aber der Schiri nichts davon weiß und sich irgendwann wundert, dass die Stimmung aufgeheizt ist, ist das schlecht.

Ist es leichter, untere Ligen zu pfeifen?

Die höheren Ligen sind anspruchsvoller, weil schneller und athletischer. Auf der anderen Seite laufen die Spiele berechenbarer, weil die Spieler professioneller sind und gezielter zum Ball gehen statt gegen das Bein, wie das in der Kreisliga C schon mal passiert. In einer unteren Liga ist es mir sogar schon mal passiert, dass ein Spieler ständig im Abseits stand und ich ihm dann erstmal die Abseitsregel erklärt habe.

Was war Ihre heikelste Situation?

In einem Spiel musste ich eine Rote und zwei Gelb-Rote Karten gegen das Heim-Team zeigen. Da musste ich anschließend sehen, wie ich heil vom Platz komme, denn die Stimmung war aufgeheizt. Ich hatte auf die Schnelle den Einfall, mir eine neutrale Person zu suchen, mit der ich zusammen Richtung Kabine gehen konnte. Und wer ist schon neutraler als ein Zeitungsreporter? Der war zwar nicht begeistert, ist dann aber mitgegangen und das hat funktioniert.

Gibt es einen Schiedsrichter, von dem Sie viel gelernt haben?

Vor allem Hans-Heinrich Rasche aus Petershagen, der Schiedsrichterassistent in der Ersten und Zweiten Bundesliga und Schiedsrichter in der Regionalliga gewesen ist.

Und was haben Sie für sich selbst gelernt?

Viel. Das Schiedsrichtersein hat meine Persönlichkeit positiv beeinflusst. Auch für den Beruf, denn ein Schiedsrichter lernt, Entscheidungen zu treffen, zu begründen, mit Konfliktsituationen umzugehen, in angespannten Situationen sachlich zu bleiben und den Überblick zu behalten, sich zu strukturieren und gut vorbereitet zu sein.

Haben Sie unter den bekannten Schiedsrichtern ein Vorbild?

Nein, da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Nur dann ist man echt. Und das ist als Schiedsrichter vielleicht das Wichtigste überhaupt.

Von Benjamin Piel, Chefredakteur