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Februar 2017 · Porta extra 27 Erst ist es kalt, dann heiß und fettig Bei der traditionellen Grünkohlwanderung erkunden die Eisberger ihren Ort Bei der Grünkohlwanderung ging es vorbei an bedeutenderen Gebäuden der jüngeren Eisberger Geschichte. knapp oberhalb der Brücke habe es einst eine Weserfurt gegeben. Aus mündlichen Überlieferungen hatte der Ortsheimatpfleger geschlossen, dass es dort möglicherweise eine seichte Stelle für einen Übergang bei Niedrigwasser gegeben hat. Gleich zu Beginn der Tour im Januar 2017 hatte Busch deshalb einen Stopp am rechten Weserufer eingeplant, um nach Anhaltspunkten für die ehemalige Furt zu suchen. Aber Fehlanzeige, denn trotz gründlichem Hinsehen gab es keine Spur von einer vergessenen Querung. Dennoch mag es eine solche gegeben haben, meinte der Lokalhistoriker. So sei an der Mündung Lammerbach/ Fülmer Bach eine Furt denkbar. „Sie dürfte aber spätestens bei der Uferbefestigung mit Strömungsbauwerken (Buhnen) der Weser um 1870 beseitigt worden sein.“ Furt hin, Furt her: Einige mutige Wanderer wollten das Erlebnis offenbar trotzdem persönlich erleben und überquerten das Bachbett vor dessen Mündung in die Weser. Das war trockenen Fußes möglich, denn der Lammerbach führt zurzeit kein Wasser. Und als ebenfalls günstig für eine Wanderung entlang der Weser erwies es sich, dass auch der Fluss selber aktuell kein Hochwasser führt. Froh dürften auch die Maulwürfe über das Ausbleiben von Überflutungen sein, machte Busch aufmerksam auf eine Kette frisch aufgeworfener Hügel. Sie führte entlang des rechten Ufers in sicherem Abstand zur derzeitigen Wasserline. Trockenen Fußes führte Busch den größeren Teil der Gruppe zur Weserstraße und weiter zur Moddestraße – vorbei am Gelände des Rassegeflügelzuchtvereins Eisbergen-Fülme. An dieser Stelle verwies er auf den früheren Ziegenbock-Stall Von Werner Hoppe Eisbergen. Immer im Januar mit Start an der Eisberger Weserbrücke, und immer gibt’s zum Abschluss ein deftiges Grünkohlessen: Das sind die Zutaten für die Gründkohlwanderung, die in Eisbergen die Jahres-Veranstaltungssaison eröffnet. Das Ganze läuft – ganz im Sinne des Wortes – unter dem Titel „Kohl und Pinkel- Wanderung“. Und ist in gefühlt zehn Jahren so etwas wie „Kult bei kalt“ geworden – mit einer Portion Kultur und einer lokalhistorischen Beilage. Das Gemeinschaftsprojekt des Eisberger Heimat- und Kunstfreundes Hans-Dieter Bonorden und Ortsheimatpfleger Reinhard Busch als historischem Berater brachte am letzen Januar-Sonntag knapp 30 Wanderer an den Start. „In anderen Jahren hatten wir manchmal zwischen 30 und 40 Teilnehmer“, stellte Bonorden bei der Begrüßung der Gruppe nahe der Skulptur der Eisberger Milchfrau fest. Vielleicht sei die leicht rückgängige Zahl auf „Terminüberschneidungen zurückzuführen“, mutmaßte der Gastgeber. Diese Funktion hat Bonorden inne, da sein Atelier an der Weserstraße finaler Sammelpunkt fürs Abschluss-Essen mit Kohl und Pinkel ist. Vielleicht waren es auch deshalb weniger Teilnehmer, weil allmählich die meisten der lokalhistorischen Nahziele erwandert sind, konnte sich der Ortsheimatpfleger vorstellen. Hintergrund: Nach Jahren ist ausgereizt, was Eisbergen an Besonderheiten zu bieten hat. Der alte Ortskern um die Kirche, Fachwerkbauten sowie topografische Besonderheiten, die Neubaugebiete des Dorfes bis hin zum kleinsten Kloster Deutschlands in der ehemaligen Uniformfabrik: Es gibt kaum etwas, das nicht schon als Extra-„Beilage“ zu Kohl und Pinkel gereicht wurde. Entsprechend fällt es ein wenig schwer, neue Routen und Ziele von historischer Bedeutung zu finden, bedauerte Busch. Umso willkommener war ihm der Insider-Tipp, Fotos: Werner Hoppe und die ehemalige Ziegen- Deckstation. „Ziegenböcke wurden wegen der arteigenen Geruchsemissionen außerhalb der Dorflage gehalten.“ Weiter ging’s zur Nord-Süd- Straße von Fülme, zur Weser und am Bahnübergang über die Schienentrasse und durch die Fischerstadt. Reinhard Busch klärte dazu auf: „Der Name dieser Straße ist etwas rätselhaft, denn es ist nicht bekannt, dass hier jemals Fischer gewohnt haben.“ Der Gang führte ein kleines Stück weiter an der Weserstraße bis zum Scherfling und dann zur Roten Wand. „Dieser Straßenname beruht auf einer alten Flurbezeichnung“, hörten die Wanderer, bevor es erneut über den Lammerbach ging. Über die Ritterstraße zur Bahnbrücke im Zuge der Hildburgstraße langte der Tross nach gut sechs Kilometern beim Atelier Bonorden an. Ihren Abschluss fand die appetitanregende Wanderung mit dem besagten Wintergericht. Zum Grünkohlkönig beziehungsweise zur Grünkohlkönigin bestimmte das Los die Neu-Eisbergerin Sabine Müller. Sie leitet seit Anfang des Jahres 2017 die Weser-Apotheke. Der Zielpunkt: Mit Kohl und Pinkel wartet im Atelier Bonorden ein deftiges Wintergericht auf die Wanderer.


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