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20170328.KAUFLOKAL

Dienstag, 28.März 2017 · Nr. 74 KAUF LOKAL Mindener Tageblatt 3 Kaufen– oder nicht kaufen? Warum verlässt man Ikea nie ohne Teelichter? Und wieso muss bei Backwaren Ordnung herrschen? Dahinter stecken kleine, psychologische Tricks, die Kunden zum Zugreifen animieren. sollte einen vernünftigen Wachheitsgrad haben und positive Stimmung verbreiten.“ Zudem dient sie Geschäften dazu, ihre Kundengruppe zu definieren. Rapmusik in einem Laden für Senioren wirkt zum Beispiel eher abschreckend. Auch beim Kleiderkauf spielt das Gehör eine Rolle: Der Kunde achtet nicht nur darauf, dass sich Hose oder Rock beim Tragen gut anfühlen. Ihm muss zum Beispiel auch das Rascheln des Stoffs gefallen. Einkaufen als Event Ein angenehmer Duft, gut ausgeleuchtete Ware, beschwingte Musik, nette Verkäufer – all das trägt dazu bei, den Einkauf zu etwas Besonderem zu machen. Das ist der Vorteil von stationärem Handel. Und nur hier kann man laut Haubrock das tun, was man heute als „shoppen“ bezeichnet: In Geschäften bummeln – ohne Ziel, manchmal auch ohne Geld auszugeben. Das ist übrigens auch der Unterschied zum Einkaufen. Vor allem Frauen würden zum Shoppen neigen, so Haubrock. Die Ziellosigkeit zeigt sich auch daran, dass sie Sachen anziehen, die sie nie kaufen würden. Wichtig ist dabei auch, die Ware zu berühren. „Der Internethandel hat ja mit immensen Retouren zu kämpfen, weil die Leute eben erst zu Hause das taktile Erlebnis haben.“ Händler könnten dies als Chance nutzen und Einkaufen zu einem schönen Erlebnis machen. Wichtig dabei: „Viele Kunden brauchen keine fachlich-technische Beratung, die brauchen eine Einkaufsfreundin. Denn das ist ja Teil dieses Events.“ Für Männer spiele Einkaufen als Erlebnis hingegen kaum eine Rolle, dafür sprechen auch sie auf gute Beratung an: „Männer gehen seltener Bekleidung einkaufen, es hat für sie Zweckcharakter: Sie wollen zum Beispiel eine braune Hose. Jetzt ist es am Verkäufer, ihnen noch ein passendes Hemd dazu zu verkaufen.“ Ordnung muss sein Dass ein Geschäft sauber ist, macht der Kunde vor allem an Ordnung fest: „Wir nehmen Wuseliges in unserer Kultur als tendenziell nicht sauber wahr. Deshalb sieht man Verkäufer in Läden aufräumen, und deshalb sind die Artikel in einer Bäckerei oder der Gemüseabteilung schön getrennt voneinander platziert“, erklärt Alexander Haubrock. Künstliche Auswahl Dass sich Joghurt an Joghurt und Waschmittel an Waschmittel reiht, hat nicht nur praktische Gründe. „Für uns als Kunden ist wahrgenommene Auswahlmöglichkeit wichtig, auch wenn wir immer dasselbe kaufen“, sagt Alexander Haubrock. Es werde zum Beispiel künstliche Auswahl erzeugt, in dem es zwölf oder 15 Waschmittel gebe. „Dabei gibt es in Deutschland nur zwei Waschmittelhersteller.“ Dahinter stecke das psychologische Phänomen der Reaktanz. Die Abwehrreaktion auf eine wahrgenommene Freiheitseinschränkung: Gibt es nur ein Waschmittel, kauft der Kunde lieber gar keines. Der Sound des Einkaufs Musik im Geschäft trägt zum Stimmungs Gesamtpaket bei, meint der Experte. Zu traurig sollte sie aber nicht sein, das könnte die Kauflust trüben. Haubrock rät: „Die Musik frischgebackenen Sachen riecht.“ Darum gebe es die Ladenbacköfen. In Lebensmittelgeschäften versuche man hingegen, mit der Klimatechnik einen neutralen Geruch zu verbreiten. „Die Produktgruppen sind zu unterschiedlich. Das wäre sonst eine Reiz-Überflutung.“ In Bekleidungsgeschäften gebe es manchmal elektrisch gesteuerte Duftinseln. „Man weiß aber nicht, welchen Effekt das hat. Es wird eher als Teil des Gesamtkonzepts gemacht, damit der Kunde sich wohlfühlt.“ Zum Geruch zählt Haubrock auch den Geschmack. „Man kann Luft nach Salz schmecken lassen. Das könnte in einem Fischgeschäft interessant sein.“ Generell sei es aber schwierig, den Geschmackssinn anzusprechen – außer bei Kostproben. Waren ins rechte Licht rücken Sehen sei für viele Menschen der dominante Sinn, erklärt Haubrock. Geschäfte setzen Lichttechnik ein, um Farben zum Strahlen zu bringen oder Lebensmittel appetitlicher aussehen zu lassen: „Wir haben bestimmte Farbschemata im Kopf: Rindfleisch ist zum Beispiel dunkelrot, Schweinefleisch ist heller, darf aber nicht wässrig oder blutig aussehen. Die Rotintensität von Fleisch kann ich mit Licht beeinflussen.“ Damit Obst ansprechend wirkt, wird es zum Beispiel gewachst und poliert. Heute setzen auch Discounter zunehmend auf Frische. Dennoch folgen auch sie – zumindest bei der Ausstattung – bestimmten Regeln, so Haubrock: „Ein Discounter demonstriert auch im Aufbau Sparsamkeit, selbst bei den aufgewerteten Läden.“ Echtholzregale, aufwendige Lichtkonstruktion und dazu niedrige Preise – das würde beim Kunden Misstrauen auslösen. Er müsse sehen, wo Geld gespart werde. Einkaufen mit allen Sinnen Auch über die Sinne versuchen Händler, ihre Kunden anzulocken. Allerdings hat jeder Mensch hier einen anderen Schwerpunkt: „Menschen unterscheiden sich darin, welcher Sinn bei bestimmten Produktgruppen besonders wichtig ist“. Deshalb erlauben Geschäfte den Kunden, dass sie ihre Sinne nutzen können: Sie dürfen die Ware anfassen, riechen und natürlich anschauen. „Ein wirklich guter Verkäufer durchschaut, welche Sinneseindrücke dem Kunden besonders wichtig sind, und verstärkt sie“, meint Haubrock. Verführerischer Duft Zum Teil können die Sinne bewusst stimuliert werden, zum Beispiel durch Gerüche. „Das ist ein Hintergrund Wohlfühlding“, meint der Professor für Wirtschaftspsychologie und nennt als Beispiel Bäckereien: „Da ist es ganz wichtig, dass es nach Von Doris Christoph Minden (mt). Mit feinen psychologischen Tricks beeinflussen Geschäfte das Einkaufsverhalten der Kunden. Wie sie das tun, weiß Alexander Haubrock. Er ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Bielefeld und forscht in den Bereichen Kundenorientierung und Kaufverhalten. Er verrät Tricks und Kniffe der Händler, nennt den Unterschied zwischen Shoppen und Einkaufen, und worauf es Kunden im Geschäft ankommt. Die Architektur der Spontankäufe „Spontankäufe nehmen umso stärker zu, je weniger fest der Einkaufswunsch ist oder der Kunde einen Einkaufszettel hat. Und die wenigsten Leute gehen mit einer Einkaufsliste zu Ikea“, erklärt Alexander Haubrock, warum viele Menschen es in dem Möbelgeschäft angeblich nicht ohne Teelichter zur Kasse schaffen. Dazu kommt, dass sie geschickt auf einer Route mit Abkürzungen durch das Geschäft gelotst werden: „Die Architektur zwingt die Kunden, auch an anderen Sachen als nur Möbeln vorbeizugehen. Sie kaufen dann doch noch die Teelichter und die Badematte, weil es so nett und praktisch ist.“ Im Lebensmittelhandel gibt es seltener Spontankäufe: Weil die Leute ihre Listen abarbeiten. Aber auch die Wege durch den Supermarkt folgen einer Logik. „In vielen Supermärkten kommen die Kunden rechts herum rein und bewegen sich ihrer rechten Hand folgend – machen dabei aber in Wirklichkeit einen Kreis nach links“, erklärt der Experte. Dahinter stecke die Annahme, dass die meisten Menschen Rechtshänder seien und man mal geglaubt habe, dass die Rechtsbewegung beliebter sei als die nach links. „Bewiesen hat man das aber nie.“ Die Wege führen wieder vorbei an Sonderangeboten, um Kunden zu Spontan-Einkäufen zu ermuntern. Einen einheitlichen Aufbau wie bei Supermärkten gibt es bei Bekleidungsgeschäften nicht. Entscheidend sei hier das Schaufenster, meint Haubrock. „Hier stehen die Produkte und die Linie, die meine Kunden ansprechen sollen.“ Frische demonstrieren Im klassischen Supermarkt startet der Einkauf mit Obst und Gemüse. „Die Supermärkte wollen so Frische demonstrieren und sich von Discountern abgrenzen, das war jedenfalls früher so.“ Wer die Architektur beeinflussen kann, schließt die Wurst-, Fisch- und Käsetheke am liebsten gleich daran an. „Das klappt nicht immer, weil oft die Kühlhäuser und Lager hinten im Geschäft liegen“, sagt Haubrock. „Viele Kunden brauchen keine fachlich-technische Beratung, die brauchen eine Einkaufsfreundin.“ Alexander Haubrock, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Bielefeld SPORTFREUNDIN AUFGEPASST: Fit in den Frühling, aber nur mit Anita active Sport-BH! -78% • neue innovative Soft-Schale • luftdurchlässig & superleicht • optimale Unterstützung & perfekter Halt • 70% aller Frauen tragen die falsche BH-Größe. 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