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Hille extra 7 Und lässt sich von ihm fesseln, erschrecken, aufrütteln und begeistern. Fotos: Alex Lehn (Archiv) Sonntag, 27. August, Nordhemmern. Greftmühle: Wir sind Viertel vor zehn da. Die Plastikstühle im Zelt sind schon besetzt. Also sitzen auf der Bierzeltbank. Ich vermisse schmerzlich eine Rückenlehne. Und wenn es eine Marterbank wie in St. Marien wäre. Gepriesen sei sie! Es wird voll. Dorfschnack. Erster Bratwurstduft zieht ins Zelt. Weitere Bänke werden hereingetragen. Die Trauerfamilie kommt. Prädikant und Lektorin checken den Ablauf. Der Wind lässt die Kunststoffwände am Gestänge klackern. Ich hätte gerne eine Rückenlehne. Und dann. Posaunenmusik. Na klar. Kenn ich. Auch die Leute. Auch die Melodie kommt mir in den Sinn. „Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht …“ Kenn ich alles. Ist mir vertraut. Ans Herz gewachsen. Ich summe innerlich mit. Und lasse mich mitnehmen … und lasse mich treiben … und lasse mich fortziehen … lasse mich … überlasse mich … einem Strömen Feldstraße 4 32479 Hille Tel. 0 57 03 / 23 77 Fax 0 57 03 / 36 77 … tierte evangelische Theologie schmetterte. Ein Buch wie ein Stolperstein. Eine Aufrichtung der Heiligkeit Gottes. Oder besser anders herum: „Es kommt mir ja etwas entgegen. Es wirkt dabei so, als würden sich in Gesang und Gebet Ebenen überlagern, die nur zum Teil meinem Bewusstsein zugänglich und auch nur partiell als seelische Vorgänge und Erfahrungen zu beschreiben sind. Das Wesentliche geschieht außerhalb meiner Wahrnehmung - vielleicht wie eine Strahlung, die ich nicht spüre und die doch folgenreich ist … Was sich da ereignet, ist nicht sicher vorhersehbar und nicht abzurechnen … Es verändert sich die Art meiner Anwesenheit, sie wird fester und zugleich durchlässiger. Ich ahne die Fragilität meiner selbst, und zugleich verfestigt sich ein ureigener und mir doch fremder Kern ... dies: „Gleichzeitig (und sie ist eben besonders merkwürdig, diese Gleichzeitigkeit) bin ich hineingenommen in einen Raum, der mich selbst weit überragt. Ich habe das Gefühl, zu flirren in einem hellen Licht oder zu brummen in einer tiefen Resonanz, deren Grund mir nicht erkennbar ist, oder zu vibrieren in einem schweren Rhythmus oder zu tagträumen, leichthin zu schweben … Unabhängig von allem, was ich wahrnehme, besser: Durch alles hindurch, was ich wahrnehme, ist eine andere Aktivität am Werk. … Was ich denke und fühle, ist nicht relevant für das, was da geschieht. Und so kann ich kopfschüttelnd konstatieren, wie der Pfarrer lässig am Altar lehnt und sich wie ein Fernsehmoderator anbiedernd in Pose wirft, und zugleich entsteht in meinem Schädel ein Gesang, eine Rührung, die zur Sehnsucht wird. Ist es die Orgel, die das auslöst? Ist es der erinnerungsgesättigte Raum? … Nichts, was ich weiß, löst die Veränderung in mir aus. Ich kann sie nicht begründen. Ich kann auch nicht sagen, wohin sie mich führt.“ Und so geht es weiter. Meine Urlaubsgemütlichkeit - zerschmettert. Und ich denke: Ja, so muss es gewesen sein, damals am 31. Oktober 1517, als Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug und damit ein theologisches und kirchliches Erdbeben auslöste. Und damals 1918, als Karl Barth seinen „Römerbrief“ in die unterdessen ziemlich irrihen wir schon bald staunend in der sonnendurchfluteten Kirche. Jörg Winkelströter, ehemaliger Vikarius in Holzhausen – Gott wohnt schön bei dir! Jörg führt uns sicher und feierlich durch die Liturgie. Hinterher - ich kann’s nicht lassen: Du solltest die Silben am Satzende … und die Hände beim Segnen mehr zur Gemeinde … Danach Döner, Museum Tinguely (Wow!), im Rhein durch Basel schwimmen, abends Raclette im Pfarrgarten … Montag, 7. August, Basel. Bahnhof SBB: 16.47 Uhr. Der ICE aus Köln rauscht mit Sohn Martin pünktlich auf die Minute in den Bahnhof ein. Hi Martin, Grüezi! Hast Du das Buch? Alles da. Warm hier. Ich würd’ jetzt gern erst mal in den Rhein. In den Rhein? Wir wollten eigentlich jetzt los Richtung Bern. Aber es stimmt ja. Immer noch 30 Grad. Also erst mal in den Rhein … Dienstag, 8. August, Schwarzsee. Pension Montanara: In der Nacht Temperatursturz. 10 Grad. R e g e n! Nicht Hiller Geniesel. Also nix mit Stand-up-paddling, Gleitschirm Fliegen oder Bergwandern rauf zu Johanns Alp. Stattdessen in der Wohnung hocken und also: lesen. Christian Lehnert: Der Gott in einer Nuß. Erste Orientierung. Es geht entlang an den liturgischen Erbstücken des Gottesdienstes. Kyrie, Gloria, Credo … Sicheres Geländer. Klare Fährte. Und dann kommen irgendwann solche Sätze: „… das Ereignis Gott … es folgt nicht aus einer wie auch immer verstandenen Struktur, fußt auf keinen Voraussetzungen - es errichtet selbst vielmehr das Maßwerk des Verstehens.“ Gott - „ein Ereignis“? Und nachdem Lehnert, der Pastor, seine ersten Eindrücke als Besucher eines sehr „normalen“ Gottesdienstes herausgeseufzt hat, dann „Was ich denke und fühle, ist nicht relevant für das, was da geschieht.“


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