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28 Mindener Tageblatt Arbeit 2015 Nr. 217 · Freitag, 18. September 2015 Die Zukunftsmacher Die Technologiegruppe Harting in Espelkamp versteht sich als „forschendes Unternehmen“. Erkenntnis: Mit steigendem Automatisierungsgrad reden die Menschen mehr miteinander – nicht weniger. „Wir wollen sehen, wo die Herausforderungen für die Zukunft sind. Harting ist ein forschendes Unternehmen.“ Detlef Sieverdingbeck, Leiter des Bereichs Communication and Public Relations „Industrie 4.0 reicht als Markenname gar nicht aus, um alles zu beschreiben, was damit verbunden ist.“ Dr. Volker Franke, Geschäftsführer von Harting Applied Technologies über die Prozesse“, sagt Franke. Fazit: Die neuen Eingabegeräte amortisieren sich in unter einem Jahr. Die Fabrik der Zukunft braucht letztlich auch anderes Controlling. „Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir Wirtschaftlichkeit berechnen“, sagt Franke, „Aufwände anders bewerten, Investitionsberechnungen neu aufbauen.“ Und die Fabrik der Zukunft braucht flexible Mitarbeiter. Vor zwei Jahren, da gab es ein Projekt mit der Universität Bielefeld. „Kollege Roboter“ kam nach Espelkamp, und die Mitarbeiter konnten ihn im Produktionsumfeld mal spielerisch kennen lernen. „Roboter sind keine Gespenster, sondern technische Lösungen“, sagt Franke. „Viele Mitarbeiter gehen die Veränderungen gerne mit und sind engagiert dafür, lebenslang zu lernen“, sagt Sieverdingbeck. Und plötzlich arbeiten Menschen aus Bereichen zusammen, die bisher nichts miteinander zu tun hatten. Da gehe es dann auch um einen Wandel von Verhaltensmustern, um mehr Kommunikation, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, über den Tellerrand schauen. Ja, der Automatisierungsgrad steige, aber gleichzeitig nehme auch die direkte Kommunikation zu. Täglich wechselnde Aufgabenstellungen werden täglich auch direkt besprochen. „Die Verbindung aus beidem, Automatisierung und Kommunikation, bringt schließlich Sicherheit und Geschwindigkeit“, sagt Franke. Reicht all das, um für die Zukunft gerüstet zu sein? Franke ist vorsichtig: „Wir kommen aus der Welt des linearen Wachstums und gehen in ein exponentielles Wachstum hinein. Da wird es immer schwerer vorauszusagen, wie sich die nächsten fünf Jahre entwickeln werden.“ Sicher scheint für ihn aber eins: Harting soll dann dabei sein. Möglichst ganz vorn. lich. Und: „Wenn dem Kunden ein Mehrwert geliefert wird, ist er auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.“ In der Industrie geht es darum, dass die Maschinen künftig anders arbeiten – intelligent, in Absprache miteinander, in Kooperation mit Menschen, dass sie individualisierte Produkte herstellen können, frühzeitig warnen, wenn ein Ausfall bevorsteht, jeweils die energetisch günstigste Herstellungsart wählen, Material nachbestellen und vieles mehr. Der Paradigmenwechsel hier: Bisher wird die Produktion (zum Beispiel die drei Schritte Fertigung, Beschriftung, Verpackung) von einer Einheit gesteuert. Das ist starr und unbeweglich, kann nur langsam an Veränderungen angepasst werden. Der Trend und der Kundenwunsch gehen jedoch in Richtung flexibler und individueller Lösung: Maßanfertigung statt Massenfertigung.. Künftig arbeitet jedes Element für sich selbst, und die Elemente in der gesamten Fabrik können immer neu zusammengestellt und konfiguriert werden. Das ist flexibel, kann schnell auf neue Anforderungen reagieren – auch auf solche, die erst in Zukunft gestellt werden. Schnell gesagt, schwer gemacht. Programmierer, Im Alltag ist die neue Welt längst angekommen: beim individualisierten Müsli, bei Zalando, bei Amazon. Elektrotechniker, IT-Entwickler und Maschinenbauer tüfteln zur Zeit überall in der Welt an neuen Wegen, wie diese kleineren, hoch flexiblen Einheiten der „Smart Factory“ miteinander kommunizieren können. Wie produzierte Einheiten markiert und nachverfolgt werden können. Und daran, wie die Rolle der Menschen im Umgang mit diesen neuen Maschinen sein wird – etwa bei der Dateneingabe, Motto: Apps statt Ascii –, oder daran, wie Arbeitssicherheit gewährleistet werden kann. Bei Harting geht es dabei immer auch um die Mitarbeiter. Denn längst ist sicher, dass sich in der Fabrik der Zukunft Produktions- und damit auch Arbeitsprozesse beschleunigen werden. „Das erreichen wir bestimmt nicht, indem alle schneller laufen müssen“, sagt Franke, „sondern indem wir Prozesse anders gestalten.“ „Unsere Mitarbeiter müssen bei all Von Monika Jäger Minden/Espelkamp (mt). Wer einen Blick in die Zukunft werfen will, braucht im Kreis Minden-Lübbecke nicht lange zu suchen. Bei Harting in Espelkamp wird heute erforscht und geplant, wie morgen gearbeitet und produziert werden soll. Und das auf drei Ebenen: Erstens soll die Infrastruktur geschaffen werden, um den Kunden künftig all das zu ermöglichen, was mit dem Begriff „Industrie 4.0“ verbunden ist. Zweitens werden Produktionsprozesse und Technologien im eigenen Haus verändert. Drittens sollen die Mitarbeiter sich auf all das Neue vorbereiten können – Neues lernen, ohne Angst vor der Zukunft zu haben, im Bewusstsein, dass dieser technologische Wandel große Chancen bietet, Deutschlands Technologievorsprung zu festigen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. „Wir beschäftigen uns damit, um zu sehen, wo die Herausforderungen für die Zukunft sind – bei Produkten ebenso wie in der Produktionsumgebung“, erklärt Detlef Sieverdingbeck, Leiter des Bereichs Communcation and Public Relations. „Harting ist ein forschendes Unternehmen.“ „Industrie 4.0 reicht als Markenname gar nicht aus, um alles zu beschreiben, was damit verbunden ist.“ Dr. Volker Franke, Geschäftsführer von Harting Applied Technologies betont: „In Wirklichkeit erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel.“ Im Alltag sind Grundgedanken von Industrie 4.0 längst angekommen: Beim individualisierten Müsli, bei Zalando und Amazon, beim selbst im Internet konfigurierten Sportschuh. „Da erlebt der Konsument, dass viel individueller auf ihn eingegangen wird. So etwas wäre früher nicht bezahlbar gewesen.“ Neue Technologien und das „Internet der Dinge“ machen es jetzt mög- butionslager plant Harting gerade „die größte Investition der Unternehmensgeschichte“ (Sieverdingbeck). „Alles muss vernetzt sein. Wir müssen so denken, wie Amazon und Zalando, einen E-Shop oder Webshop aufbauen.“ Noch ist es für Firmenkunden kein Standard, dass sie flott übers Internet bestellen können, sofortige Rückmeldungen über den Lieferzeitpunkt erhalten und die Auslieferung per Internet verfolgen können. „Aber mit jeder neuen Software beschleunigt sich das, und die Erwartungen wachsen.“ Die Veränderungen seien im industriellen Bereich langsamer spürbar als beim Endverbraucher. Noch. Alle neuen Anlagen und Maschinen, die bei Harting künftig installiert werden, werden beispielsweise in der Lage sein, Daten über ihre Arbeit zu versenden. Aktuell werden Prozessabläufe in der Produktion verändert. Dafür sind unter anderem neue Eingabegeräte nötig. Vorteil für die Mitarbeiter, so die Firmensprecher: Arbeitserleichterung, weniger Aufwand, mehr Übersicht über den gesamten Produktionsablauf an ihrem direkten Arbeitsplatz. „Wir sparen Geld, sorgen für mehr Sicherheit und haben mehr Daten diesen Veränderungen permanent geschult werden“, sagt Sieverdingbeck. Neue Berufsbilder werden da entstehen. „Wie die Berufe dann heißen, wer weiß: Produktioniker vielleicht, oder Robotroniker.“ Technische Herausforderung: die Datenflut. Unabhängig arbeitende Einheiten in der „Smart Factory“ müssen Informationen austauschen, die Werkstücke sollen auf ihrem Weg durch die Produktion verfolgbar sein. Hinzu kommen Impulse von außen, etwa Herstellungsaufträge oder Hinweise darüber, welche Transportfahrzeuge zur Auslieferung bereitstehen, die automatische Überwachung und Wartung der Maschinen, Schichtpläne der Menschen. Franke: „Ein Modell kann auch sein, immer dann erneuerbare Energien zur Herstellung zu nutzen, wenn sie gerade günstig zur Verfügung stehen. Dann kommen Informationen über das Wetter – wie durchziehende Wolkenfelder, Regenschauer, auffrischender Wind – hinzu, schließlich muss die Anforderung an die entsprechenden Anlagen gehen und schnell zwischen den Energieerzeugern gewechselt werden.“ Auch so etwas werden Produktionszellen einer „Smart Factory“ der Zukunft können. Auch die Logistik wird auf einen komplett überwachten und steuerbaren Bestell- und Auslieferungsprozess umgestellt. Für ein neues Distri- Programmierer, Elektrotechniker, IT-Entwickler, Maschinenbauer tüfteln überall in der Welt an neuen Wegen.


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