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Freitag, 18. September 2015 · Nr. 217 Arbeit 2015 Mindener Tageblatt 17 Digitale Transformation als Chance Gastbeitrag von Steffen Kampeter, CDU-Bundestagsabgeordneter: Eine starke Wirtschaft 4.0 Breitbandversorgung ist das A und O: Glasfaserkabel sind unter anderem zur Übertragung von Hochgeschwindigkeitsinternet erforderlich. In OWL ist da noch nachzubessern – sonst leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Foto: Daniel Reinhardt/dpa rere Ausschreibungen 2012 und 2013 konnten Anbieter identifiziert und der Finanzierungsbedarf geklärt werden. Mit Unterstützung der Bezirksregierung in Detmold sind bisher zwölf Gewerbegebiete und etwa 50 Ortsteile in eine Förderung aufgenommen worden. Die Kommunen stellen jeweils einen Eigenanteil zur Verfügung. Insgesamt muss die Politik in Nordrhein-Westfalen den digitalen Wandel vorantreiben, indem sie die richtigen wirtschaftlichen, bildungs und hochschulpolitischen Rahmenbedingungen schafft und dafür sorgt, dass unsere Gesellschaft durch die fortschreitende Digitalisierung enger zusammenrückt. Neben der Wirtschaftskraft müssen wir vor allem auch den Bildungsbereich bei der Digitalisierung deutlich stärker in den Blick nehmen. Schon in den Schulen müssen wir damit anfangen, unsere jungen Menschen Steffen Kampeter. Foto: dpa auf die digitale Welt vorzubereiten. Die Menschen und die Unternehmen in unserer Region haben nämlich alle Potenziale, um zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören. Die Wirtschaft 4.0 ist die Zukunft des Industrielands Nordrhein-Westfalen und des mittelständisch geprägten Wirtschaftsstandortes OWL und kann eine Erfolgsgeschichte für unsere Region werden. Denn schon heute haben zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland einen digitalisierten Arbeitsplatz. Die Digitalisierung verändert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unsere Arbeitswelt. Und dieser Digitalisierungsprozess ist bereits Wichtig ist hierbei eine arbeitsplatznahe Weiterbildung. heute im vollen Gange. Sie bringt Herausforderungen mit sich, vor allem aber große Chancen für den Wirtschaftsstandort Ostwestfalen Lippe. Das gilt nicht nur mit Blick auf eine verbesserte Wettbewerbsfä- Unsere moderne Gesellschaft lebt inzwischen in, mit und von einer „digitalen Selbstverständlichkeit“. In der Wirtschaft sprechen wir bereits von „Internet 4.0“. Produktion und Dienstleistungen unserer Wirtschaft basieren beinahe ausnahmslos auf IT-Strukturen. Das zeigt: Die Digitalisierung ist ein Meta-Thema, etwas, was unsere ganze bisherige Erfahrungswelt durchdringt. Die enormen Chancen des digitalen Wandels für jeden Einzelnen und die Gesellschaft müssen bestmöglich genutzt werden. Hierbei muss der Schutz der Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundfreiheiten in der digitalisierten Welt sichergestellt sein, um das Vertrauen in den digitalen Wandel weiter zu stärken. Denn was für jede dauerhafte Kommunikation gilt, gilt auch hier: Ohne Vertrauen geht es nicht. Vertrauen ist ein Wert, auch ein ökonomischer Wert. Hier gibt es große Herausforderungen in der digitalen Kommunikation, für den wirtschaftlichen Aufschwung und insgesamt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Zur Wahrheit gehört: Der langfristige Erfolg digitaler Innovationen und Investitionen hängt entscheidend von der Daten- und IT-Sicherheit ab. Vertrauen ist hierbei die neue und wichtige wirtschaftliche Währung im Internet. Vertrauen ist ein Wettbewerbsfaktor der Digitalisierung. Das heißt, dass wir gleichzeitig mehr Vertrauen in die Systeme und mehr Bewusstsein für die Anfälligkeit der Systeme benötigen – das wird keine leichte Aufgabe sein. Die zunehmende Digitalisierung verändert die wirtschaftliche Wertschöpfung in einem großen Tempo. Durch das „Internet der Dinge“ entsteht eine intelligente Vernetzung von Produktionsanlagen, Betrieben und Wertschöpfungsketten. Die Produktion wird dadurch individualisiert, der Ressourcenverbrauch reduziert und die Produktivität gesteigert. Unsere Industrie muss mit dieser Entwicklung Schritt halten. Die Digitalisierung wirkt sich aber gleichermaßen auf Mittelstand und Handwerk aus: Es ergeben sich auch dort neue Produktionsmöglichkeiten, Vertriebskanäle und Geschäftsfelder, denkt man allein an die Fortentwicklung der Elektrotechnik im Bereich der digitalisierten „smart homes“. Wir sollten daher alle Anstrengungen unternehmen, Industrie, Mittelstand und Handwerk auf dem Weg der Digitalisierung zu unterstützen. Dazu gehört vor allem ein flächendeckender Breitbandausbau, denn ohne leistungsfähige Breitbandanschlüsse geht heute in vielen Unternehmen nichts mehr. Unser Ziel sollte es ein, dass Ostwestfalen-Lippe zu einem Vorreiter der Wirtschaft 4.0 wird. Das Cluster „IT´s OWL“ ist hierfür bereits ein wichtiger Wegbereiter. Eine Untersuchung in den letzten Jahren hatte in Ostwestfalen-Lippe ermittelt, dass etwa 100 Ortsteile und mindestens 14 Gewerbegebiete unterversorgt seien. Die Situation ist leider typisch für ländlich strukturierte Räume in Nordrhein-Westfalen. Als starke Wirtschaftsregion sind wir aber auf gute Internet-Verbindungen angewiesen. Deshalb muss hier etwas getan werden, sonst leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der gesamten Region. Es muss deshalb ein zügiger Ausbau der Breitbandversorgung in der Region vorangetrieben werden. Ein gutes Beispiel ist die Anbindung der Gewerbegebiete im Kreis Lippe. Denn ein Bündnis aus Kommune, Kreis und IHK Lippe zu Detmold ist sehr erfolgreich gewesen. Über meh- ist die Zukunft unserer Region. Aber alle müssen mitgenommen werden. ständig erfolgen; beispielsweise durch Digitale Medien oder E-Learning. Schon in der Erstausbildung sollte hierfür die notwendige Basis im Sinne von Selbstlern- und Medienkompetenz gelegt werden. Auch bei der Qualifizierung von An- und Ungelernten, zum Beispiel durch Ausbildungsbausteine, sollte man dies berücksichtigen. Klar ist: Die Verantwortlichkeit für berufliche Weiterbildung sollte je nach Nutzen und Interessen geteilt werden. Denn normalerweise profitieren Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen von Weiterbildung. Daher ist es auch richtig, dass sie sich jeweils angemessen am Aufwand beteiligen. Vor allem die Einbringung von Zeit stellt eine gute Möglichkeit zur Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Weiterbildungsaufwand dar. Gegenwärtig finden noch rund zwei Drittel der betrieblichen Weiterbildung in der Arbeitszeit statt. Das ist eine erfreuliche Entwicklung – 2007 hatte dieser Anteil noch vier Fünftel betragen. Trotz alledem wünscht sich weiterhin eine Mehrheit der Betriebe, dass ihre Beschäftigten mehr Freizeit als bisher für die eigene Weiterbildung einbringen. Am Ende ist jedoch eines klar: Die Digitalisierung wird das persönliche Gespräch nicht ersetzen können. Führungskräfte müssen ein Gespür für das richtige Maß zwischen digital und analog, flexibel und stabil entwickeln. Die Digitalisierung hat mit ihren enorm großen Datenmengen auch eine soziale und gesellschaftliche Dimension: Unsere Aufgabe wird es auch sein, die Wirtschaft 4.0 in eine Gesellschaft 4.0 einzubetten. Ob in der Wirtschaft oder der Gesellschaft: Digitalisierung ist eine große Chance für neue Aufgaben. Eine wirkliche Erfolgsgeschichte – vor allem auch für Ostwestfalen-Lippe – wird sie nur, wenn alle bei dieser Entwicklung mitgenommen werden und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft erhalten bleibt. Es liegt in unserer Hand, gemeinsam die richtigen Entscheidungen zu treffen. nötig – verursachen allerdings hohe Kosten. Bildungspolitische Reformen müssen daher die Qualität der Schulen verbessern. Es ist Aufgabe der allgemeinbildenden Schule, mit der Ausbildungsreife für alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger eine anschlussfähige Ausgangsposition sicherzustellen. Die Ausbildungsreife umfasst dabei zum einen die schulischen Basiskenntnisse und zum anderen ein notwendiges Arbeits und Sozialverhalten wie Durchhaltevermögen, Selbstorganisation und Teamfähigkeit – sogenannte „soft skills“. Zur Ausbildungsreife gehört auch eine fundierte Berufsorientierung mit dem Ziel der Berufswahlreife, damit Schülerinnen und Schüler besser auf die Arbeitswelt vorbereitet sind. Diese sollte fest im Schulalltag verankert und in Kooperation mit der Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit vermittelt werden. Die Aufgaben von Produktions und Wissensarbeitern wachsen weiter zusammen. Das gilt insbesondere für digitalisierte Produktionsstätten und -prozesse und das wird vor allem im Rahmen von Industrie 4.0 gelten, in der sogenannten „smart factory“. Daher muss die Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung weiter ausgebaut werden. Akademische Studiengänge könnten beispielsweise in ihren Curricula praxisrelevante Inhalte enthalten und berufliche Ausbildungsgänge, wo notwendig, akademisch wissenschaftlich Bezüge. Duale Studiengänge kombinieren in hervorragender Weise eine wissenschaftliche Qualifikation mit fundierter Praxiserfahrung. Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel im MINT-Bereich ist die positive Entwicklung im Bereich der dualen Studienangebote zu begrüßen und der weitere Ausbau des Angebots an den Hochschulen zu unterstützen. Auch und gerade für neue Fächer und Berufe kann das Potenzial des dualen Studienformats noch stärker ausgeschöpft werden. Wichtig ist dafür insbesondere auch eine noch bessere Abstimmung und Verzahnung der Inhalte der beiden Lernorte. Weiterbildung ist der Königsweg zur Anpassung an die Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt. Wichtig hierbei ist eine arbeitsplatznahe Weiterbildung und eine lernförderliche Arbeitsorganisation. Das Lernen sollte permanent und selbst- higkeit der heimischen Wirtschaft, sondern auch hinsichtlich neuer Beschäftigungsmöglichkeiten. Unsere Heimatregion hat eine beeindruckend hohe Zahl von Industrieunternehmen, die sich über Generationen neu erfinden und die internationalen Märkte erobern. Unsere meist in Familienbesitz befindlichen Unternehmen zeichnen sich durch ein besonderes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Region und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Ostwestfalen Lippe gehört zu den stärksten Wirtschaftsregionen in Deutschland: Rund 150 000 Unternehmen mit einem Bruttoinlandsprodukt von zirka 60 Milliarden Euro beschäftigen etwa eine Million Menschen weltweit. Regionale Verbundenheit gepaart mit Weltoffenheit machen OWL zum Stammsitz für viele kleine, mittelständische und Großunternehmen in Familienhand, darunter weltbekannte Marken. Von dem her hat unsere Heimatregion Ostwestfalen-Lippe eine robuste industrielle Basis, ist mit ihrer Innovationskraft und ihrer technologischen Stärke gut aufgestellt, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Voraussetzung für digitale Kompetenz in Beruf und Alltag ist, die Ausbildungsreife im Laufe der schulischen Ausbildung sicherzustellen. Viele Jugendliche verlassen die Schule nicht mit dem erforderlichen Rüstzeug für die Ausbildung. Reparaturmaßnahmen im Übergangssystem zur Aufarbeitung von Defiziten sind Ohne Breitbandanschlüsse geht in vielen Unternehmen nichts mehr. Individualisierte Produktion, weniger Ressourcenverbrauch Der Gastautor ■ Er kennt den Kreis Minden- Lübbecke als Wirtschaftsstandort gut: Steffen Kampeter (CDU) ist Bundestagsabgeordneter des Kreises und Parlamentarischer Staatssekretär a.D.. Im Juli 2016 übernimmt er die Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).


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