Die Zeitung von hier: 160 Jahre Mindener Tageblatt

Historische Ansicht des Unternehmensstandortes Obermarktstraße - hier schon in zwei Gebäuden. Repro: MT

Historische Ansicht des Unternehmensstandortes Obermarktstraße – hier schon in zwei Gebäuden. Repro: MT

Als Johann Christian Conrad Bruns am 5. Juli 1856 die „No 1.“ seines „Kreisblatts für die Kreise Minden und Lübbecke“ veröffentlichte, war er 56 Jahre alt und konnte bereits auf 22 Jahre selbstständigen Unternehmertums in Minden zurückblicken. Die preußische Stadt war noch von Festungsmauern umschlossen und hatte so um die 14 000 Einwohner, davon allein 2200 „Militärpersonen“, wie die amtliche Volkszählung auswies. In den beiden von der Landwirtschaft lebenden Kreisen erfasste die behördliche Statistik zusammen rund 113 00 Menschen. Auch wenn Minden Regierungssitz war: die Zielgruppe für ein Massenmedium sieht anders aus.

Unternehmensgründer Johann Christian Conrad Bruns (1800 - 1877) Ölgemälde von bernd Spriewald nach einem Originalfoto, Repro: MT

Unternehmensgründer Johann Christian Conrad Bruns (1800 – 1877) Ölgemälde von bernd Spriewald nach einem Originalfoto, Repro: MT

Dennoch glaubte Bruns an seine Geschäftsidee. Zwar war die von ihm einige Zeit zuvor gegründete „Patriotische Zeitung“ nicht gerade ein Erfolg und wurde schließlich auch eingestellt. Doch der seit 1834 selbstständige Drucker war sicher, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Schließlich buhlen überall in Preußen und anderen deutschen Königreichen und Fürstentümern schon länger so genannte „Intelligenzblätter“ (von engl. Intelligence = Nachricht) mit ihrer Mischung aus – streng von Zensurbehörden überwachten – überregionalen und lokalen Informationen sowie Anzeigen heimischer Geschäftsleute um Leser und Inserenten und fanden ihren Markt.

Bruns verlangte siebeneinhalb Silbergroschen für ein Vierteljahresabonnement; Insertionen wurden mit sechs Pfennigen pro Druckzeile berechnet. Nicht besonders teuer im Vergleich zu anderen Leseerzeugnissen, aber auch kein Schnäppchen für eine Klientel, die ihr Geld zusammenhalten musste.

Über Jahre war das Druck- und Verlagshaus Bruns ein Ein-Mann-Unternehmen

Ein Selbstläufer wurde die Idee zunächst denn auch nicht. Bruns konnte zwar ausreichend Kunden und Leser gewinnen, um den Betrieb zu finanzieren und einen kleinen Gewinn zu erwirtschaften. Doch die Veröffentlichung lokaler Informationen jenseits offizieller amtlicher Bekanntmachungen war unter den Bedingungen der preußischen Pressezensur keine einfache Angelegenheit. Auch weil die Maschinen- und Personalkapazitäten begrenzt waren – das Druck- und Verlagshaus J.C.C. Bruns war über Jahre eigentlich ein Ein-Mann-Unternehmen.

Gustav Bruns Repro: MT

Gustav Bruns Repro: MT

Trotz des heute eher gemächlich erscheinenden Erscheinungsrhythmus von zunächst nur einem Exemplar à vier Kleinformat-Seiten pro Woche war die Herstellung einer Lokalzeitung also ein recht aufwendiges Unterfangen. Und durchaus kein besonders profitables. Das wirtschaftliche Überleben sicherten eher die staatlichen und privaten Aufträge für seine kleine Druckerei in der Hohen Straße. Doch hartnäckiges Bemühen, handwerklicher Fleiß und kaufmännisches Geschick zahlten sich aus: Die Zeitung etablierte sich und konnte im Lauf der Zeit zunächst bescheidenes, später kräftigeres Wachstum verzeichnen.

ZEITSPRUNG: 160 Jahre und fünf Verlegergenerationen später ist das Unternehmen längst kein „Start Up“ mehr. Aus der Ein-Mann-Firma ist eine Unternehmensgruppe mit mehr als 250 Mitarbeitern geworden; allein die Zeitung zählt rund 120 Beschäftigte, allein 35 in der Redaktion. Mehr als 300 Zusteller kommen hinzu.

Das Geschäftsmodell des als Druckversion in den heutigen Städten Minden, Porta Westfalica, Petershagen und der Gemeinde Hille erscheinenden Lokalblatts ist im Prinzip unverändert. Immer noch geht es um die Beschaffung und Verbreitung lokaler und überregionaler Informationen für eine Leserschaft, die auf der von der Zeitung gebotenen Plattform auch von der heimischen Geschäftswelt angesprochen werden kann. Die Herausforderungen von heute allerdings lauten nicht mehr preußische Zensurbehörden, zeitraubende Satz- und schwerfällige Drucktechnik oder Probleme bei der Nachrichtenbeschaffung. Sie heißen Digitalisierung, demografischer Wandel, Änderungen im Mediennutzungsverhalten, Nachrichtenüberflutung, aber auch Strukturwandel in der heimischen Geschäftswelt. Um nur einige zu nennen.

Max Bruns (1876 - 1945). Repro: MT

Max Bruns (1876 – 1945). Repro: MT

Das Drucken und Verteilen von Papier ist inzwischen selbst zu einer Hochtechnologie-Angelegenheit geworden. Der Gründer würde seinen Augen nicht trauen, bekäme er das heute am Trippeldamm stehende Druckzentrum zu sehen mit seiner modernen Vierfarben-Rollenoffset-Druckmaschine und der angeschlossenen HighTech-Weiterverarbeitung für Prospektbestückung, Konfektionierung und Logistik.

Von der Zukunft der Tageszeitung überzeugt – auch in gedruckter Form

Hier werden nicht nur sechs Tage in der Woche je um die 33.000 Exemplare für Abonnenten und Einzelverkauf der papiernen MT-Ausgabe gedruckt. Hier werden auch zahlreiche weitere Zeitungsprodukte hergestellt: die benachbarte Nienburger Tageszeitung „Die Harke“ (rund 20.000 Exemplare) sowie deren Sonntagsausgabe „Harke am Sonntag“ (60.000), die eigene, wöchentlich erscheinende Anzeigenzeitung Weserspucker (112.000), das wöchentliche Anzeigenmagazin „Willem“ (70.000), die vielfältigen Sonderprodukte zum Mindener Tageblatt wie “Menschen, Macher, Märkte“, die „Extra“-Magazine für Porta Westfalica, Petershagen und Hille, der Ausbildungsführer „Azubify“, die Saison-Vorschauen „Anwurf“ und „Anstoß“, die Freizeit-Magazine „Drinnen“ und „Draußen“ sowie viele andere mehr. Nicht zuletzt laufen auch zahlreiche Beilagenaufträge von Kunden wie WEZ, Media Markt, Expert oder weitere Anzeigenblätter über die tonnenschwere und gleichzeitig hoch digitalisierte und vernetzte Drucktechnik.

Hansheinrich Thomas (gest. 1977) Repro: MT

Hansheinrich Thomas (gest. 1977) Repro: MT

Dass die Tageszeitung und verwandte Druck-Produkte Zukunft haben, ist denn auch einvernehmliche Überzeugung der aktuellen Verlegergenerationen Fünf und Sechs. Dennoch wissen Rainer (76) und Sven (48) Thomas, dass dieses Standbein das Unternehmen „Zeitung“ auf Dauer nicht mehr allein wird tragen können. Schon früh hat man beim MT –einmal mehr – die Zeichen der Zeit gesehen und bereits Mitte der 90er Jahre das Internet als künftig wohl immer wichtiger werdenden Kanal für bis dato allein per Papier verbreitete Informationen eingeschätzt.

Mit voller Kraft auch im Digitalen voraus

Inzwischen ist auch der Online-Service MT.de mit im Schnitt bis zu 25 000 täglichen Besuchen lokaler Marktführer, darüber hinaus ist die Zeitung in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, YouTube oder Instagram präsent und aktiv. Gerade wurde mit der Mediabox ein weiterer digitaler Informationskanal in Betrieb genommen. Neben den teils bereits seit mehr als zehn Jahren existierenden digitalen Versionen der gedruckten Ausgabe (ePaper) für Rechner, Tablets und Smartphones sind gerade Nachrichten-Apps für Mobilgeräte in Vorbereitung.

Ein Massenmedium ist das Mindener Tageblatt immer noch nicht –und will es auch nicht werden. Aber es ist ein Medium, das in der Region, über die es berichtet, tief und fest verwurzelt ist. Inzwischen seit 160 Jahren. Und mit dem festen Willen, diese Tradition auch in die Zukunft fortzusetzen.

Die heutigen Verleger Rainer (l.) und Sven Thomas auf einem Foto aus dem Jahr 2009. Foto: Otto

Bis heute befindet sich das Unternehmen J.C.C.Bruns und mit ihm Verlag und Druckerei des Mindener Tageblatts zu 100 Prozent im Besitz der Gründerfamilie: Die heutigen Verleger Rainer (l.) und Sven Thomas auf einem Foto aus dem Jahr 2009. Foto: Otto

Die Erstausgabe sowie die hier gezeigten Seiten als Download auf www.mt.de

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