DER PLURAL – ODER: Wir-Gefühl

Es ist ein gemeinsames Kennzeichen jeder organischen Kreatur in Gemeinschaft leben zu wollen. Bei Pflanzen nennt man es Gesellschaft, bei Tieren Herde, Schwarm, Rudel oder weiß ich wie. Bei Menschen heißt es Volk, Familie, Arbeitskollegen, Mannschaft. Jedwede Kreatur braucht eben ihresgleichen. Wozu auch immer.

Aber kaum sind Menschen eine Zeitlang mit anderen Menschen in einer Gemeinschaft verbunden, brauchen sie einen (Menschen), der das Sagen hat. Einen Chef oder eine Chefin. Die sind aber ständig in der Gefahr sich zwangsläufig von der Gemeinschaft zu isolieren, weil sie eben kraft Amtes anordnen, was die aber nicht (oder zumindest nicht jetzt) machen wollen. Aber andererseits brauchen sie die anderen auch. Einmal, damit sie eben halt Chefs sein können und zweitens wegen des auch ihnen innewohnenden Gemeinschaftsgefühl-Bedarfs. Sind ja auch nur Menschen.

Um diesen Spagat zu überbrücken, haben sie den “Pluralis Majestatis” erfunden, die Herrschafts-Mehrzahl. Ein Beispiel, wenn meine Frau (sie wissen schon …) sagt: “Wir müssen im Frühling unbedingt die Fenster streichen, dann weiß ich, wer mit diesem “Wir” gemeint ist: ich.

Ich andererseits würde niemals wagen zu sagen: “Wir (!) haben gestern Abend die ganze Nacht im Flur das Licht brennen lassen!” Oder wenn ich der Familie andeute, dass “wir” in diesem Jahr kräftig sparen müssen. Dann hat das eher den Charakter eines Selbstgesprächs.

Bei der Bundeskanzlerin ist das anders. Wenn die im Fernsehen sagt, “wir müssen sparen”, meint sie nicht sich und ihresgleichen sonder uns, das Volk. Wenn Politiker etwas – meist Geld – von uns verlangen, sagen sie immer “Wir”. Aber Vorsicht. Wenn sie sagen, “wir fordern”, dann meinen sie tatsächlich sich selbst. Sie tun nur so, also ob damit andere gefordert sind. Denn wenn die Forderungen nicht erfüllt werden, dann sind eben die anderen dran schuld – nicht “Wir”.

Eine lobenswerte Ausnahme von diesem egoistischen “Wir-Begriff” bilden die Sporttrainer. Die haben noch wahren Teamgeist. Achten Sie mal drauf: Nach einem verlorenen Spiel sagen sie stets in die Mikrofone: “Wir haben im Angriff nicht überzeugt” oder “Wir haben in der Deckung nicht gut genug gestanden”.

Dabei war der Mann als Trainer doch gar nicht selbst auf dem Platz. Warum sagt er nicht einfach “Die haben nicht gemacht, was ich ihnen gesagt habe”? Im Sport herrscht eben Teamgeist. Einer für alle. Es lebe der Sport.

Ach ja, das mit dem Fensterstreichen warten wir mal ganz in Ruhe ab.

In diesem Sinne: schönes Wochenende

Von Hartmut Nolte (Lokalredaktion)

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