Ausnahmezustand Bombe: Arbeiten im Fitnessdress

Interview mit Feuerwerker Karl Heinz Clemens. Foto: Alex Lehn

Interview mit Feuerwerker Karl Heinz Clemens. Foto: Alex Lehn

Sie werden es nicht wissen, aber Journalisten sind eigentlich nicht die geborenen Teamplayer. Ein bisschen egozentrisch, jeder hat da so seine Macken, meist wurschtelt man fröhlich nebeneinander her. Man mag sich, man hätte es nur einfach anders gemacht als der Sitznachbar. Und ein bisschen kauzig war der ja schon immer.

Eine Sache aber funktioniert in allen Redaktionen, und zwar um 11 Uhr morgens, um ein Uhr nachts oder – wie vorgestern – um 17 Uhr Abends: Der Ausnahmezustand. Wenn die Meldung des Bombenfundes kommt, setzt sich ein Uhrwerk in Bewegung. Alle wissen, was zu tun ist.

Innerhalb von Sekunden brummt der Laden, jeder recherchiert. Aus einem chaotischen Haufen wird ein organisierter Bienenschwarm. Niemand diskutiert dann, welche Geschichten wir brauchen: Alle. Fotos kann man später noch aussortieren, Videomaterial schneiden. Man muss es nur haben.

Weil wir so funktionieren, hatten wir gestern gleich nach der Bombenmeldung die erste Geschichte auf MT.de. Sie wurde binnen Minuten über die sozialen Netzwerke gestreut. Zeitweise riefen den Artikel mehr als 2000 Menschen gleichzeitig auf. Leser fanden eine Evakuierungskarte, erste Bilder, alle Infos. Die Redaktion richtete einen Live-Ticker ein, der bis 2.30 Uhr ständig aktualisiert wurde.

Wir taten, was ging: Eine Nachrichtenkollegin kam direkt vom Sport zurück in die Redaktion und arbeitete bis 2 Uhr morgens im Fitnessdress. Die Praktikantin setzte sich um 17 Uhr aufs Rad und verschaffte uns so via Handy einen ersten Überblick. Wer nach Hause fuhr, schickte noch Bilder und Infos aus dem Feierabend. Das Telefon schellte ununterbrochen. Um Mitternacht rief eine Kollegin, die schon Stunden zu Hause war, an: Sie fahre jetzt die Sammelstellen in der Stadt ab. „Ihr könnt ja nicht mehr raus. So habt ihr trotzdem Material.“

Manche Kollegen verbrachten Stunden damit Fragen verunsicherter Leser zu beantworten. Einige lieferten einfach moralischen Beistand. Am Ende brauchten wir sie alle, zeitweise waren fast zehn Kollegen gleichzeitig im Einsatz.

Manche Dinge kann man aber auch mit Manpower und Wille nicht lösen. Um 0.50 Uhr musste wegen der Verzögerungen bei der Entschärfung eine Entscheidung her: Zeitung drucken und verlässlich erscheinen? Oder die Entschärfung abwarten und in Kauf nehmen, dass nicht alle Leser pünktlich beliefert werden? Wir haben uns fürs Drucken entschieden, nur MT.de bekam die Jubelnachricht noch mit. Irgendwas ist immer.

Nina Könemann, Lokalredaktion

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