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Eine Reise nach Tel Aviv – und Israel

MT-Volontär Hans-Georg Gottfried Dittmann

22 junge Journalisten fanden sich an einem Hotel nahe des Frankfurter Flughafens ein, um tags darauf nach Israel zu fliegen. Eine Studienreise von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert für Jungjournalisten mit maximal fünf Jahren Berufserfahrung.  Die Studien begannen schon vor der Reise – im Tagungsraum der Frankfurter Hotels.  Es sollte nicht der letzte Tagungsraum auf der Reise bleiben.

Am nächsten Nachmittag landete die Maschine pünktlich in Israel und das Programm setzte ich sich nahtlos im nächsten Konferenzraum fort. Bis auf einen kurzen Blick aus dem Fenster und der viel zu kalten Klimaanlage deutete nichts darauf hin, dass wir nicht nur das Land, sondern auch den Kontinent verlassen hatten, denn auch die Referenten sprachen zunächst auf Deutsch zu uns.

Erst nach Sonnenuntergang konnten wir die Hotelanlage verlassen und uns ein Bild von Tel Aviv machen. Die moderne Stadt am Mittelmeer brodelte auch nachts und hatte wenig mit dem zu tun, was man sich vor der Reise in das Heilige Land vorgestellt hatte,  eher erinnerte es eine spanische Stadt mit Mittelmeerlage – nur der Ozean lag nicht im Westen sondern im Osten der Stadt.

Einige Israelis sagten uns, dass Tel Aviv nicht viel mit dem Rest des Landes zu tun hat, was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Tel Aviv erst 1909 gegründet wurde und erst seit 1999 zu der Metropolregion explodierte, die sie heute ist – denn vor 1999 stand in der ganzen Stadt nur ein Hochhaus, was mit Blick auf das heutige Stadtbild kaum zu glauben ist.

Tel Aviv selbst bewirbt sich selbst  seit einiger Zeit auch nicht mehr damit, ein Teil Israels zu sein. In Touristeninformationen oder Reisekatalogen wird die Landeszugehörigkeitsangabe fehlen. Im Rückblick macht das Sinn, denn mit dem Palästinenserkonflikt, religiösem Leben oder grenzpolitischen  Auseinandersetzungen haben die Bewohner der Stadt nichts zu tun, sie lesen höchstens in den Zeitungen davon.

Losgelöst aus dem israelischen Gefüge macht diese Stadt unglaublich viel Spaß, die liberale und moderne Lebenseinstellung der Bewohner erfasst die Besucher sofort, die mit einer großen Start-up-Unternehmenskultur und einer großen Schwulenbewegung nicht das Bild von Israel bestätigen. Aber wie es in den Katalogen steht, so sagen es auch die Einwohner: Tel Aviv ist nicht Israel.

Nachdem unsere Gruppe die ersten Tage in der Strandmetropole verbrachte, reisten wir weiter nach Tiberia, einer Stadt am See Genezareth. Dort war alles mindestens eine Nummer kleiner, auch die Touristen waren nur dort, um den See zu sehen, über den Jesus einst gelaufen ist. Auf der anderen Seite des Sees liegen die Golanhöhen und auf der Fahrt dorthin schlängelt sich die Straße durch das  Grenzgebiet zwischen Jordanien, Syrien und Israel.

Nach mehreren Stopps hielten wir auch auf einem Aussichtspunkt 300 Meter von der syrischen Grenze entfernt. In Sichtweite dahinter konnten wir ein Dorf sehen, das sich  unter der Herrschaft des Islamischen Staates befand – ein sehr befremdliches Gefühl.

Auch Ramallah überraschte alle Reisenden. Die Stadt, die im Zentrum des Westjordanlandes liegt, war in einem besseren Zustand, als viele israelische Orte, die wir auf unserem Weg dorthin gesehen haben. Einzige Auffälligkeit waren die schwarzen Wasser Kanister, die auf allen Dächern in großer Zahl standen. Sie dienen als Speicher für Regenwasser, denn bei einer Knappheit drehen die Israelis den Palästinensergebieten das Wasser ab, die dann auf diese Reserven angewiesen sind.

Die Hauptstadt Jerusalem war – neben Tel Aviv – die Stadt, in der sich unsere Gruppe am Längsten aufhielt. Hier sieht es „mehr nach Israel aus“, so unsere Reiseleiterin Rosa Fleischmann, aber vor allen in der Altstadt zeigt sich, dass sich an diesem Ort seit Jahrtausenden die drei monotheistischen Religion begegnen – im Zentrum der Tempelberg mit Heiligtümern jeder Religion.

Nach den elf Tagen im Heiligen Land hat sich mein Horizont und mein Wissen über Israel  auf eine Art und Weise erweitert, wie ich es davor nicht für möglich gehalten hatte. All die kleinen und großen Reibereien und Konflikte, die unterschiedlichen Meinungen zur Gesellschaft und der Zukunft machen das Land für jeden Menschen spannend, der sich darauf einlässt. Doch man muss mehr gesehen haben als nur Tel Aviv – denn Tel Aviv ist alles, nur nicht typisch für Israel.

Von Hans-Georg Gottfried Dittmann