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Vom Schachtel- zum Blockumbruch: Vor 25 Jahren gab es beim MT eine gestalterische Zäsur

Titelseite und Seite Drei vorher und nachher: Die letzte Ausgabe des Mindener Tageblatts im seit der Gründung 1856 gepflegten klassischen Schachtelumbruch erschien am Dienstag, 18. Juni 1991 (links), dann hielt der Blockumbruch Einzug. Repro: MT

Titelseite und Seite Drei vorher und nachher: Die letzte Ausgabe des Mindener Tageblatts im seit der Gründung 1856 gepflegten klassischen Schachtelumbruch erschien am Dienstag, 18. Juni 1991 (links), dann hielt der Blockumbruch Einzug. Repro: MT

Den Leserinnen und Lesern muss es am 19. Juni 1991 schon am Frühstückstisch aufgefallen sein: Das Mindener Tageblatt sah anders aus. Die Zeitung hatte den sogenannten Blockumbruch eingeführt. Das war eine gestalterische  Zäsur in der bis dahin 135-jährigen Geschichte der Lokalzeitung.

Bis dato hatte über Jahrzehnte hinweg der so genannte Schachtelumbruch das Aussehen des Mindener Tageblattes geprägt. Artikel hatten unterschiedliche lange Textspalten, dazugehörige Fotos berührten den Text zuweilen nur an einem Zipfel. Die Zuordnung fiel selbst geübten Lesern oft schwer. Legendär waren die Überläufe der Aufmacher von der ersten Lokalseite auf die nachfolgende Seite 4.

Damit sollte fortan Schluss sein. „Heute mit neuem ,Gesicht‘ präsentiert sich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, erstmals Ihr Mindener Tageblatt“, begrüßten Verlag und Redaktion die Leserschaft mit einem kurzen Text auf Seite 1. „Richtschnur unserer Überlegungen war, Ihnen künftig ein klarer gegliedertes, übersichtlicheres und lesefreundlicheres MT zu liefern.“
Vorgewarnt waren die Leser bereits durch eine Serie von Anzeigen in den vorhergehenden Ausgaben, die die Zäsur ankündigten und „Interesse am neuen Lesevergnügen“ wecken sollten.

Eine Umstellung für viele Leser war wohl auch, dass „der Balken“ auf Seite 1 weggefallen war. Jahrzehntelang hatte das Negativ über dem Titel die Leser plakativ auf ein wichtiges Thema im Innenteil gestoßen. Stattdessen informierten fortan in einer Spalte kurze Meldungen über die wichtigsten Themen in den im Innenenteil folgenden Ressorts.

Auch eine größere Schrift, der Umstieg von fünf auf sechs Textspalten, zuordnende Linien sowie mit dem elektronischen Fotosatz möglich gewordene neue gestalterische Elemente gehörten zum von nun an üblichen Erscheinungsbild, an das sich die Leserinnen und Leser schnell gewöhnten. Entworfen hatte es der Düsseldorfer Zeitungsdesigner Norbert Küpper, der seither übrigens auch alle folgenden kleineren und größeren Um- und Neugestaltungen gestalterisch umsetzte – zuletzt den großen Relaunch von November 2014.

Die Einführung des Blockumbruchs – war allerdings weit mehr als eine rein gestalterische Änderung des äußeren Erscheinungsbildes. Sie war eingebettet in eine zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Jahren mit zunehmendem Tempo verlaufende technische Entwicklung in der Zeitungsproduktion, in der immer mehr Aufgaben und Arbeitsschritte mithilfe der sich ebenfalls immer schneller entwickelnden Computertechnologie erledigt werden konnten – und irgendwann auch wurden. Das führte letztlich zu tiefgreifende Änderungen in der Arbeitsweise von Redaktion, Seitenmontage und Zeitungsvorstufe, die sich mit fortschreitender Entwicklung der Technik in den kommenden Jahren in immer schnellerem Tempo fortsetzen sollten.

Und worüber berichtete das Mindener Tageblatt vor 25 Jahren auf Titel- und Lokalseiten? Am 18. Juni widmete sich der Aufmacher auf der Seite Eins der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages, einen Tag später einem nur unter massivem Polizeieinsatz möglichen Atommülltransport nach Gorleben. Im Lokalen berichtete der eben frisch von Dithmarscher Landeszeitung in seine Heimatstadt Minden zurückgekehrte Cord Heine über die zunehmende Zahl von Einäscherungen in Minden, tags darauf war ihm auch der erste Lokalaufmacher im neuen Gewand vergönnt: Unter der Überschrift “Es riecht nicht nach Krankenhaus” portraitierte er die Mindener Kinderklinik

Von Jürgen Langenkämper, Lokalredaktion (Mitarbeit: Christoph Pepper)